– Interview –
Mitten in der Hamburger Innenstadt, am Rödingsmarkt, ist von einem auf den anderen Tag eine Bronzestatue aufgetaucht. Installiert völlig ungefragt und ohne Genehmigung der Behörden. Hinter der Guerilla-Skulptur steckt der anonyme Künstler mit dem Pseudonym Mohamed Smith, der vor wenigen Wochen bereits in Bremen eine illegale Bronzeskulptur in den öffentlichen Raum gebracht hat.
Im Interview erzählt Mohamed Smith erstmalig etwas über die Hintergründe der Kunstinstallation, seine Gedanken über das klassische Modell von „Kunst im öffentlichen Raum“ und darüber, wie man es schafft am helllichten Tag unbemerkt eine Bronzeskulptur zu installieren.
Dein Instragram Profil „i_am_mohamed_smith_“ verrät nicht viel über Dich als Künstler. Was verbirgt sich hinter dem Pseudonym Mohamed Smith?
Ich will nicht viel über mich verraten. Mohamed ist der häufigste Vorname, Smith der häufigste Nachname auf der Welt.
Deine Liste an Instagram Accounts, denen Du gefolgt bist, liest sich wie das Who-is-who des Bösen und Schlechten dieser Welt. Von Heckler & Koch, über Donald Trump bis AfD ist alles dabei. Eine weitere Kunstperformance oder pure Provokation?
Vor der Bekanntgabe meines Pseudonyms habe ich meine Followerliste mit sehr fragwürdigen Personen und Institutionen gefüllt: NPD, Donald Trump, AfD, Heckler & Koch, Qanon etc. Es sollte eigentlich ein weiterer Aufruf zum genaueren hinschauen sein. Beispielsweise habe ich ein #blackouttuesday Post gemacht, welcher mit der oben genannten Followerliste kollidiert. Wenige haben das als Performance oder Satire erkannt. Ich bin dann einem entscheidenden Argument gefolgt, das besagte: Kein klick oder Like für dergleichen. Jetzt nochmal deutlich: kein Platz für Rassismus, Faschismus, Populismus, Sexismus oder ähnliche Scheiße!
Eine Bronzeskulptur in der Stadt zu installieren, bedarf nicht nur einer Menge Planung und Vorbereitung, sondern auch Zeit vor Ort. Wie kann man eine Bronzeskulptur unbemerkt mitten in der Hamburger Innenstadt aufstellen?
Dreistigkeit ist das Stichwort. Wenn du es wie eine Baustelle aussehen lässt und es tagsüber machst, schöpfen die wenigsten verdacht, dass die Aktion nicht mit den Behörden abgesprochen ist. Hinzu kommt, dass die meisten Menschen durch die Stadt hetzen und auf ihr Handy schauen.
Eine Bronzeskulptur gießt man nicht einfach mal so nebenbei im Atelier, sondern es ist ein aufwendiges Handwerk, für das man viel Erfahrung und das passenden Equipment benötig. Bist Du gelernter Bildhauer?
No Comment, außer: danke an alle die mich unterstützt haben und die Bronzegießerei Rieke aus Worpswede. Ihr seid super!
Was ist die künstlerische Idee hinter der Skulptur am Rödingsmarkt?
Die Skulptur ist ja sehr plakativ und hat nicht unbedingt den größten Tiefgang, deshalb auch der Barcode „content?“ auf der Brust. Die Frage nach dem „content?“ dürfen die Passanten sich selber stellen.
Da nicht oft eine Guerilla-Bronze-Skulptur in der Stadt auftaucht, hat die Presse das ganze mit viel Aufmerksamkeit begleitet und gleichzeitig wild spekuliert. Hast Du mit dem großen medialen Echo gerechnet?
Bei der Skulptur in Bremen habe ich noch nicht damit gerechnet, ich hatte schon eine Petition fertig um die Bürger der Stadt entscheiden zu lassen für den Fall, das die Bronzestatue hätte entfernt werden sollen.
Was als offiziell mit „Kunst im öffentlichen Raum“ betitelte Kunst im Stadtraum auftaucht, entscheidet in Hamburg eine Kunstkommission. Ein Modell, das in Zeiten von Street Art, durchaus in Frage gestellt werden kann. Verschwimmen die Grenzen zwischen Street Art und Kunst im öffentlichen Raum zunehmend?
Das Modell „Kunst im öffentlichem Raum“ hinterfrage ich grundsätzlich nicht, nur, was teilweise daraus resultiert. Ich möchte darauf hinweisen, das Kunst systemrelevant ist und dies der Bevölkerung ins Gedächtnis rufen. Meine Art dem zu begegnen mag plump erscheinen, aber auf diese weise erreiche ich mehr Menschen. Mit Popmusik erreiche ich ja auch mehr Menschen als mit Avantgarde-Rock. Trotzdem ist beides Musik.
Die Stadt Hamburg denkt offenbar zumindest über die Option nach, die Statue stehen zu lassen? War es von Anfang an Dein Ziel, eine dauerhafte Skulptur zu schaffen?
Nein, das war nicht das Ziel, aber da sie aus Bronze ist, wird damit wesentlich vorsichtiger umgegangen als mit einer Skulptur aus Styropor beispielsweise. Die Aktion wird nur bis zum Punkt des Aufstellens von mir beeinflusst. Hätte ich erwartet, dass sie stehen bleibt, wäre ich dumm und hätte Street Art und öffentliches Agieren nicht verstanden. Du kannst nicht erwarten, dass es kein Gegenwind gibt. Wenn du öffentlich agierst, musst du mit Interventionen, Kritik, Spott etc. rechnen.
Auf Behördenseite führt eine Guerilla-Skulptur offenbar zu ziemlich viel Verwirrung auf den Amtsfluren und es muss erstmal eine Linie in der Haltung gefunden werden, wie man mit illegaler Kunst im öffentlichen Raum umgehen soll. War das „Hacken“ des Systems Teil der Aktion?
Natürlich, ich halte ja im übertragenen Sinn der Stadt die Pistole auf die Brust. „Hier ist was Wertvolles, die Leute reden drüber, also (re)agiert!“
Es sind einfache Werkzeuge wie: Öffentlichkeit, Anonymität und das Material Bronze, die ich benutze, um einen Dialog zu erzeugen.
Gerade Heute ist es wichtig die Menschen aufmerksam zu machen, was mit Ihrer freien Meinung passiert, wenn eine Gesellschaft in Kapital gesteuerte Systeme und nach rechts rutscht.
Bremen hat sich für den Verbleib und sogar die nachträgliche statische Abnahme der Skulptur auf Kosten der Stadt entschieden. Wer sollte darüber entscheiden, wer und welche Kunst im öffentlichen Raum ausgestellt wird?
Der öffentliche Raum hat ja ein ganz anderes Publikum als jenes, welches ins Museum oder in eine Galerie geht. Insofern sollte jede Meinung berücksichtigt werden und nicht nur die von Ausschüssen, Gremien oder Jurys. Ich bin nicht systemrelevant aber das, wofür ich kämpfe, schon.
… offenbar hat die Stadt und der Hamburger Kultursenator den künstlerischen Wert deiner Arbeit zumindest Stück weit anerkannt. Die Graffiti direkt neben der Skulptur, die offenbar dazu gehören, wurden nach nur einem Tag entfernt. Funktioniert die Arbeit auch ohne den Kontext?
Die Skulptur war ja schon in den Medien bevor die Graffiti Tags entfernt wurden. Wenn du im öffentlichen Raum agierst, muss du mit Reaktionen rechnen. Der „Charging Bull“ Skulptur an der Wall Street wurde 2017 das „Fearless Girl“ gegenüber gestellt. Die Reaktion des Bildhauers Arturo Di Modica ist erbärmlich und narzisstisch. Er hat 1989 den Bullen auch ohne Genehmigung aufgestellt und ist damit in den Dialog mit der Öffentlichkeit getreten. Fast dreißig Jahre später fügt Kristen Visbal eine Skulptur hinzu und Di Modica sieht sich und „seine“ Kunst verschandelt. Das ist der öffentliche Raum, komm klar wenn jemand deine Arbeit scheiße findet, verändert oder entfernt.
Erst eine Guerilla-Skulptur in Bremen, jetzt eine in Hamburg. Was kommt als nächstes?
No Comment.
Vielen Dank für das Interview!
Um auf dem Laufenden über die Arbeit von Mohamed Smith zu bleiben, folgt dem Künstler auf Instagram.
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Pictures by URBANSHIT / last picture @marymee61 ?