Wir haben mit der Street Art Künstlerin Barbara. im Chat-Interview über das Internet, Kunstfreiheit, den Schreibtisch von Donald Trump und darüber gesprochen, warum sie in ihrer alten Heimat Heidelberg nicht mehr auf der Straße Plakate kleben gehen kann.
Liebe Barbara. Schön, mit dir zu chatten!
Hi Rudi, freut mich.
Das Jahr ist erst halb rum und in der Welt sind bereits eine Menge ziemlich krasser Sachen passiert. Hast du das Gefühl, dass durch die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung auch dein Bedürfnis wächst, der Öffentlichkeit etwas mitzuteilen?
Mein Wunsch, einen kleinen Teil zu einer friedliebenden, toleranten und weltoffenen Gesellschaft beizutragen und mich gegen Rassismus und Diskriminierung stark zu machen, ist in den letzten Jahren unverändert groß geblieben. Ich verspüre jedoch zunehmend den Drang, mich auch über meine kleinen Plakate hinaus einzubringen, denn der Platz auf den Zetteln ist nunmal sehr begrenzt. Manchmal gelingt es mir auf diesem engen Raum eine für mich stimmige Aussage unterzubringen, aber zu manchen Themen gibt es eben viel mehr zu sagen. Deshalb gehe ich seit einiger Zeit parallel zu meinen Zettelklebereien neue Wege. Es wird aber noch einige Zeit dauern, bis ich davon etwas öffentlich machen kann.
„Ich verspüre jedoch zunehmend den Drang, mich auch über meine kleinen Plakate hinaus einzubringen, denn der Platz auf den Zetteln ist nunmal sehr begrenzt.“
Donald Trump ist nur einer von vielen, die dabei sind, die Welt gerade in ein Ungleichgewicht zu bringen. Wenn du die Möglichkeit hättest ein Schild auf dem Schreibtisch des Präsidenten im weißen Haus zu platzieren, was würde drauf stehen?
Ich würde eher versuchen die Menschen zu erreichen, die ihn gewählt haben. Sie geben ihm die Macht, also müssen sie umgestimmt werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Schild für Donald Trump Zeit- und Materialverschwendung wäre.
… und bei Alexander Gauland, dem Chef der AfD? Was würde auf dem Schild für ihn stehen?
Für Alexander Gauland gilt eigentlich genau dasselbe. Aber ich könnte mir vorstellen, ihm ein Zitat von Götz von Berlichingen auf ein Schild zu schreiben: „Sie aber Herr Gauland, ich sag’s ihnen, können mich mal am Arsche lecken!“ Götz von Berlichingen war schließlich eine große Figur, in der von Gauland so verehrten „großartigen 1000-jährigen Deutschen Geschichte“ und müsste folglich für Gauland eine Respektsperson darstellen.
Zwei der von Facebook gelöschten Bilder von Barbara.
Anfangs des Jahres hat Facebook mit Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) einige deiner Bilder gelöscht. Mit welcher Begründung?
Die Bilder wurden ohne Angaben von Gründen gelöscht und mir wurde gedroht, dass im Wiederholungsfall meine gesamte Seite entfernt wird.
Daraufhin habe ich ein Statement auf Facebook veröffentlicht, da ich in den gelöschten Beiträgen nichts erkennen konnte, das eine Löschung gerechtfertigt hätte. Unter anderem wurde ein Foto gelöscht, auf dem ein Verkehrsschild zu sehen ist, das auf eine hügelige Fahrbahn hinweist, und dem ich einen Bikini angezogen habe. Als immer mehr Medien über den Fall berichteten, hat mich Facebook per Nachricht kontaktiert und sich mit den Worten entschuldigt: „Die Beiträge wurden versehentlich gelöscht.“ In Wahrheit wurden die Fotos von unqualifizierten und völlig überlasteten Call-Center-Mitarbeitern entfernt, die nur wenige Sekunden Zeit haben, um einen Beitrag zu bewerten. Diese Call-Center-Mitarbeiter werden von Facebook faktisch als Richter für das soziale Netzwerk eingesetzt und das kann natürlich keine Lösung sein.
Ein Straßenschild mit Bikinioberteil von Barbara. Facebook hat das Foto gelöscht.
Siehst du durch inhaltliche Kontrollen von Unternehmen wie Facebook und anderen sozialen Medien die Freiheit der Meinungsäußerung oder gar die Kunstfreiheit bedroht?
In den sozialen Medien ist zwar viel möglich, aber eben nicht alles. Ich finde es gut, dass zum Beispiel Leugnungen des Holocaust oder Morddrohungen gelöscht werden. Aber es werden eben auch harmlose Dinge sanktioniert, was nicht nur die Freiheit der Kunst einschränkt. Zum Beispiel führt die Darstellung einer nackten weiblichen Brust, egal in welchem Zusammenhang, und egal ob gemalt oder fotografiert, zur Löschung des Beitrags und zu Sanktionen wie Sperrungen oder Blockierungen. Eine Männliche Brust stellt übrigens kein Problem dar.
„Absolut frei bin ich glücklicherweise nach wie vor auf der Straße. Da kann ich kleben, was ich will und muss nur aufpassen, dass ich nicht erwischt werde.“
Inwieweit freie Meinungsäußerung in sozialen Medien vollumfänglich möglich ist, kann diskutiert werden. Allerdings wird dieses Thema zunehmend von Nazis missbraucht, die sich beschweren, dass es keine freie Meinungsäußerung gibt, weil ihre Naziparolen als solche erkannt und gelöscht werden. Wer für ein Internet komplett ohne Regeln ist, muss damit leben, dass es auch von Nazis oder religiösen Hetzern missbraucht und instrumentalisiert wird. Wenn es ohne Regeln nicht geht, dann ist die Frage, welche und wessen Regeln gelten sollen und wie diese umgesetzt werden. Da gibt es noch großen Diskussions- und Handlungsbedarf. Absolut frei bin ich glücklicherweise nach wie vor auf der Straße. Da kann ich kleben, was ich will und muss nur aufpassen, dass ich nicht erwischt werde.
Ich würde das Internet als eine neue Form des öffentlichen Raumes deuten. Wem gehört dieser Raum, wenn die Regeln der freien Meinungsäußerung hier nicht uneingeschränkt gelten?
„Das Internet gehört uns allen.“
Das Internet gehört uns allen. Da sind aber eben leider auch Typen wie Donald Trump, Bernd Höcke oder Marine Le Pen dabei, die das Internet missbrauchen um Hass auf Minderheiten zu verbreiten, Angst vor Fremden zu schüren, und aus dieser Angst ihr Kapital zu schlagen. Auch der IS gehört in diese Reihe. Leider spielen viele Faktoren des Internets diesen Hasspredigern in die Hände. Einfache, dumpfe Parolen, die das „Wir“ über das „Die“ stellen, verfangen bei einem großen Teil der Internetnutzer viel einfacher, als differenzierte Betrachtungsweisen, die auf Argumenten und Abwägungen beruhen. Zu allem Übel wirken die Algorithmen von Facebook und co. auch noch wie Brandbeschleuniger, denn sie sorgen dafür, dass die Menschen immer mehr in Filterblasen geraten, in denen dann plötzlich nur noch fremdenfeindliches Zeug zu lesen ist. Diese Menschen werden für den gesellschaftlichen Diskurs immer schwerer erreichbar. Die Regeln für das Internet und vor allem auch für Konzerne wie Facebook oder Twitter müssen völlig neu aufgearbeitet werden. Es kann nicht sein, dass ein amerikanischer Konzern die Regeln für unsere Kommunikation festlegt.
Dir folgen auf Facebook mehr als 650,000 Menschen. Hast du das Gefühl, dass mit Deiner Reichweite auch Deine Verantwortung wächst?
„Als Mensch spüre ich in dieser wirren politischen Zeit die Verantwortung nicht stumm zu bleiben und mich unter anderem gegen den fremdenfeindlichen Hass zu stellen …“
Als Künstlerin habe ich nur die Verantwortung vor mir selbst. Ich muss zu meinem Zeug stehen können. Als Mensch spüre ich in dieser wirren politischen Zeit die Verantwortung nicht stumm zu bleiben und mich unter anderem gegen den fremdenfeindlichen Hass zu stellen, der nicht nur in Deutschland in den letzten Jahren immer stärker wird. Das habe ich getan, als gerade mal fünf Leute meiner Arbeit gefolgt sind, und das mache ich auch jetzt.
Du hast dieses Jahr ein neues Buch rausgebracht. Was ist bei „Aber nicht in diesem Ton, Freundchen!“ anders als an den ersten Büchern?
„Aber nicht in diesem Ton, Freundchen!“ zeigt einen Querschnitt durch meine Klebeaktivitäten in den letzten zwei Jahren und knüpft inhaltlich direkt an die beiden Vorgänger „Dieser Befehlston verletzt meine Gefühle.“ und „Hass ist krass. Liebe ist krasser.“ an.
Im neuen Buch zeige ich auch ein paar Reaktionen auf meine Plakate, die mich sehr berührt haben. Beispielsweise die massive Verbreitung meines Spruches „Hass ist krass. Liebe ist krasser.“.
Mit deinem neuen Buch schließt du eine Bücher-Trilogie ab. Wird es keine neuen Bücher von Barbara. geben?
Die drei Bücher bilden eine Einheit. Sie haben nicht nur dasselbe Format, sondern gehen auch inhaltlich fließend ineinander über. Ich hätte sie auch „Das Kleben ist schön! Teil 1-3“ nennen können, aber ich wollte es etwas freier gestalten.
Ich bin super glücklich mit den drei Büchern und hatte bereits während der Arbeit am letzten Buch das schöne Gefühl, damit eine runde Sache zu einem gelungenen Abschluss zu bringen. Ich möchte neue Wege gehen und plane parallel zu meinen Zettelklebereien neue Projekte und verspüre sehr viel Tatendrang. Unter anderem schreibe ich zur Zeit viele Geschichten auf, die ich im Lauf der letzten Jahre erlebt habe und die einfach zu komplex sind, um daraus kleine Plakate zu machen. Vielleicht wird aus diesen Geschichten auch ein Buch, aber eben ein völlig anderes, als meine bisherigen Bücher.
Aber du plakatierst auch weiter im öffentlichen Raum, oder?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich jemals damit aufhören werde, dafür macht es mir einfach zu viel Spaß.
Und du hast mittlerweile einen eigenen Eintrag als Künstlerin bei Wikipedia. Wie fühlt es sich an, in der Welt der anerkannten Kunst angekommen zu sein?
Ich glaube nicht, dass ein Wikipedia-Eintrag ein Zeichen dafür ist, in der anerkannten Kunst angekommen zu sein. Menderes Bağcı hat auch einen Wikipedia-Eintrag. Und die Lombardis auch.
Im Eintrag der Enzyklopädie steht, dass du aufgrund Deiner hohen Bekanntheit deine alte Heimat Heidelberg für deine Aktivitäten meidest. Stimmt das?
Ja, das ist schon länger so. Ich konnte in Heidelberg nicht mehr frei arbeiten, weil ich dort zu viele Menschen kenne. Als dann auch noch Fernsehteams nach Heidelberg kamen, um auf die Suche nach Barbara. zu gehen und Leute auf der Straße zu fragen und zu recherchieren wer ich sein könnte, wurde es mir zu unruhig und ich beschloss in den Heidelberger Straßen keine Plakate mehr zu kleben. Am liebsten bin ich in Berlin oder Hamburg unterwegs, da gehe ich in der Masse der Menschen unter und kann unbeschwert Plakate kleben.
All Pictures by courtesy of the artist Barbara.
Das ist unser drittes Interview, das wir gemeinsam machen. Langsam wächst mir die Kommunikation per Chat richtig ans Herz. Ich verfolge deine öffentliche Arbeit von den frühen Anfängen an. Nach so vielen Jahren ist es Zeit mal richtig DANKE zu sagen, für Deine wunderbare und verdammt wichtige Arbeit!
Auf ein Viertes, Rudi! Du warst der Erste, der auf meine Klebereien aufmerksam gemacht hat, als mich noch fast niemand kannte. Dafür bin ich dir sehr dankbar.