„Blaues Licht“, der Film und die bisher größte Kunstaktion des Künstlerkollektivs Rocco und seine Brüder, ist ab sofort im Stream zu sehen – dauerhaft und for free. Für alle, die den Film noch nicht gesehen habe, ist der Streifen eine absolute Empfehlung.
Ohne an dieser Stelle bereits zu viel zu verraten: „Blaues Licht“ von der Berliner Filmemacherin Sophie Sonntag ist nicht nur jede Minute wert zu schauen, sondern hebt das Genre Graffiti auf vielschichtige Art und Weise auf eine neue Ebene. Also: Lockdown Mode nutzen und Play Button drücken.
BLAUES LICHT – Eine Mockumentary von Sophie Sonntag
D 2018, 90 Min.
Achtung Spoiler! Als die Filmemacherin Sophie Sonntag für einen Imagefilm von den Berliner Verkehrsbetrieben BVG engagiert wird, ahnt sich noch nicht, dass alles nur Fake und sie Teil einer großangelegten Kunstinszenierung ist.
Nach dem Dreh sind alle Speicherkarten verschwunden, landen ein paar Tage später aber anonym in ihrem Briefkasten. Sie geht der Sache auf den Grund und beschließt, aus der Geschichte einen Film zu machen. Das Ergebnis: eine 90-minütige Doku-Fiktion, die die Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes mit in den Untergrund nimmt.
Unter dem Vorwand einer offiziellen Presseeinladung der BVG geht es hinab in einen U-Bahntunnel – irgendwo unterhalb Berlins. Während direkt neben dem geladenen Publikum die U-Bahnen vorbeirauschen, beginnt auf einer Bühne ein Theaterstück, das die ahnungslosen Zuschauer bis in das Innerste der Subkultur Graffiti führt – mit all seinen Faszinationen, Abgründen und Emotionen.
Im Laufe des Films verschwimmen die Grenzen zwischen Dokumentation, fiktionaler Erzählung und Theaterstück immer mehr und es wird klar, dass alles eine große Kunst-Inszenierung ist, die bis ins letzte Detail geplant und akribisch vorbereitet wurde: ein Projekt, dessen Macher sich bis zum Schluss nicht zu erkennen geben und bei dem der ahnungslose Zuschauer Teil des Gesamtkunstwerkes wird.
„Blaues Licht“ ist der erste Graffiti-Film, der gar kein Graffiti-Film ist, sondern eine doppelbödige Theaterinszenierung, die das Genre auf eine neue Ebene hebt. Formal-ästhetisch besticht der Film vor allem durch seine unterschiedlichen Handlungsebenen, die beim Zuschauer (im Film und vor dem Bildschirm) Fragen aufwerfen: Was ist wahr? Wer ist Teil des Spiels? Was ist Doku, was Fiktion? Gleichzeitig gewährt „Blaues Licht“ einen Einblick ins Innere der Sprüher-Szene mit ihren Codes und Klischees und ergründet nichts weniger als die Seele von Graffiti. Die spielerische Verbindung zweier sich vermeintlich ausschließender Dimensionen – hier höhenkulturelle Theaterperformance, dort subkulturelle Graffiti-Aktivitäten – trägt zur Einzigartigkeit des Film-Projekts bei, das sich grundlegend von herkömmlichen audiovisuellen Formaten im Urban-Culture-Bereich unterscheidet.