Endspurt in Heidelberg: Noch bis 20. Juli findet hier das 5. METROPLINK Festival für urbane Kunst statt. Über 50 internationale Künstler, vom Newcomer zum Szene-Star, verwandeln eine ehemalige US-Militärsiedlung in ein buntes Künstlerdorf und Festivalgelände auf Zeit.
Heidelberg? Das ist doch die putzige Studentenstadt im Süden. Irgendwas mit Schloss, Altstadt und japanischen Touristen. Stimmt auch, aber nicht nur. Seit 2015 versucht das METROPOLINK Festival den Blick auf Stadt zu ändern. Was mit ein paar bemalten Hauswänden und Stromkästen im Stadtgebiet begann, hat sich längst zu einem großen Event mit Tausenden Besuchern und eigenem Festivalgelände gemausert: dem Patrick-Henry-Village (PHV).
Auf dem Weg zum PHV: Mural von PAU aus Berlin (Alle Fotos: Rainer Müller)
„Wir bauen unsere eigene Stadt
und malen die auch noch an“
Hier lebten bis vor ein paar Jahren noch 9.000 US-Soldaten und ihre Angehörigen wie in einer US-Kleinstadt mit eigenem Supermarkt, Burger King und Baseballfeld. Danach stand das Gelände größtenteils leer – bis vergangenes Jahr das METROPLINK hier einzog. Künstler wie Bordalo II, SAM 3 oder Waynehorse haben seither auf dem PHV und der Umgebung ihre Spuren hinterlassen und dort gewohnt. „Wir bauen unsere eigene Stadt und malen die auch noch an,“ erzählt Festivalmacher Pascal Baumgärtner.
Mural von Julia Benz aus Berlin
Jetzt bei der 5. Ausgabe (5. – 20. Juli) wurde der einstige Supermarkt PX Store zum Festivalzentrum. Das Künstlerduo Low Bros hat den Eingang mit einem großen Mural aus verfremdeten Logos amerikanischer Marken bemalt (Titelbild). Im Inneren stehen jetzt zwischen den alten Kassen und Kühlregalen neue Klanginstallationen und „Literaturautomaten“. Nebenan sind die Wohngebäude an der South Gettysburg Avenue – die Straßen tragen alle noch ihre alten Namen – zu Pop-Up-Libraries oder Plattenläden umfunktioniert. Künstler wie Axel Void (Miami), Julia Benz (Berlin) oder Adrian Enaer (Montpellier) haben mit ihrer jeweiligen Handschrift beeindruckende Werke gestaltet.
Mural von Limow aus Barcelona in einem Wohngebiet in Heidelberg
Live-Musik, Filmvorführungen, Lesungen und Workshops beleben die Geisterstadt. Geht es nach Patrick Baumgärtner, wird das Festival nicht nur ein Zwischennutzer sondern der Pionier eines „integrativen Stadtteils, eines Experimentierraums, mit günstigem Wohnraum und zukunftsfähigen Mobilitätskonzepten, mit Freiraum für Kreative und auch Platz für Wissenschaft und Wirtschaft.“
An einem Infostand sammeln die Festivalmacher Ideen der Besucher für einen neuen Stadtteil. Auch die Stadt Heidelberg und ihre Ideenschmiede die Internationale Bauausstellung (IBA) erarbeiten ambitionierte Konzepte für das Patrick-Henry-Village. Ein Teil des Geländes wird zudem als Ankunftszentrum für Geflüchtete genutzt.
Mural von Axel Void aus Miami auf dem Festivalgelände
Am 20. Juli ist die Abschlussparty. Bis dahin gibt es täglich Programm, etwa Touren zu den über Heidelberg verstreuten Murals der vergangenen Festivaljahre. Wer es in den nächsten Tagen nicht nach Heidelberg schafft: Ab 1. November öffnet der Supermarkt als „PX Factory – Raum für urbane Kunst“ jedes Wochenende seine Pforten. Unter anderem sollen Street-Art-Workshops angeboten werden. Die Pioniere sind gekommen, um zu bleiben.
Mural von Smash137 aus Basel, außerhalb des ehemaligen Kasernengeländes in Heidelberg