Ron Millers Schlag in die Fresse auf der Frankfurter Modemeile

15. Januar 2019
3 mins read

Ron Miller sind drei. Einer aus der Psychiatrie, einer vom Train Writing und einer aus der Welt des Designs. Und eine sie ist auch stets dabei, unübersehbar und omnipräsent: die Geisha. Vor Jahren wurde sie zur Obsession ihrer Arbeit und zum wiederkehrenden ikonischen Element ihrer Werke. Wir kennen sie in Zwangsjacken geschnürt, schwebend als gefesselte Bondage Ikone, als Jean Paul Belmondo mit gezückter Knarre, oder verkleidet als Supermodel. Jedoch bleibt sie immer zensiert. Mit einem Mundschutz oder Balken vor den Augen verbergen Ron Miller ihr wahres Ich.


Das Leben der unbekannten Geisha / Ron Miller „FFAME“ Ausstellung in FFM

Die Frankfurter Goethestraße ist eine der bekanntesten Flaniermeilen der Stadt. Man kommt hier nicht nur hin um sich bei Hermes, Gucci & Co mit dem letzten Mode Hype auszustatten, sondern auch um sehen und gesehen zu werden. Der Walk zwischen den flashy Stores führt an millionenschweren privaten Fahrzeugstaffeln vorbei. Banker, Gangster und der Rest der Frankfurter Society ist hier. Allesamt gut gekleidet und wohl genährt füllen sie ihre Instagram Stories mit weiteren Extravaganzen, die die Goethestraße ihnen für viel Geld bietet.

Zwischen diesen sorgfältig inszenierten und mit unaufdringlicher Beleuchtung gestalteten Schaufenstern strahlt neuerdings im zweiten Stock der Goethestraße 33 ein grelles Licht hinaus wie ein kaputtgegangener Atomreaktor.

Das Künstlerkollektiv Ron Miller bringt die Berliner Roughness mitten ins gediegene Herz der Bankenmetropole. Fuck Fame! Fuck Selbstdarstellung! Fuck Oberflächlichkeit! Sind die glitzernden Messages, die sie mit LED-Anzeigen, grellen Schaufenstern und einer UFO-ähnlichen Galerie mitten in die Frankfurter Moneywelt ausstrahlen. Selbstbewusst oder bewusstes Marketing?


Fuck-Fame-Toilette eröffnet die Show

Lass sie Konfetti essen

Die Verbindung zwischen Fashion, Design und Street Art ist an sich nicht überraschend. Egal ob diese Kommerzialisierung des (oft romantisierten) Freiheitsgefühls der Straße von den Brands selbst oder den Künstlern initialisiert wird. Was ist also neu an der Ron Miller Show im Tempel des Ffm Konsums? Warum lohnt es sich die Ausstellung „FFAME“ anzuschauen? Den fancy Designschal, der in der Pop-Up-Galerie als Hybrid zwischen Kunst und einem zweifelhaft warmen Winteraccessoire angeboten wird, können wir uns längst nicht mehr leisten. Die Leinwände werden zwischen lokalen Kunstsammlern und internationalen Hip-Hop Größen vergriffen. Die Geishas in den Zwangsjacken glitzern, schießen, lächeln und räkeln sich in einer Überfülle an Eindrücken, Farben und Sounds und bringen ihre überladene Laszivität in ein lautes „Ich will mehr. Ich will alles. Und ich will es jetzt.“ zusammen.

Und es ist ebendiese Darstellung der kranken Welt des Absurden, die die Stärke der Ausstellung ausmacht. Ron Miller verstellen sich nicht. Sie ziehen alle Waffen aus dem Repertoire der Gesellschaftskritik hervor. Sie laden sie mit Konfetti und verdünntem kolumbianischen Koks und lassen den ganzen Scheiß auf die Goethestraße regnen. Bam! Fuck Fame!


Rauminstallationen, Plastiken und Leinwände

Schaufensterpuppen mit digitalen Selfieköpfen! Bang!
Hype Dein hashtag mit Fuck Fame im Gesicht. Bam!
Zieh Dich aus und krieg noch zusätzliche Tausend Likes. Bam!

Die Infiltration unserer perversesten Träume hat begonnen. Gibt uns alles, denn die Gesellschaft hat keine Grenzen mehr. Stell sicher, dass auch Du Dein kleines Stück Fame abkriegst und wenigstens ein paar Meter auf den letzten abfahrenden Partyzügen noch mitfährst bevor sich die Obszönität in Menschenverachtung verwandelt und der ganze Scheiß anfängt zu stinken. Der Planet wird eh explodieren. Who the fuck cares?

Allein für diese einmalige „Shoppingerfahrung“ lohnt sich ein Abstecher in die Goethestrasse. Wer ist schon so ehrlich und gleichzeitig so kreativ noch in der Frankfurter Goethestraße unterwegs?

Das Dreierkollektiv versteht es Welten zusammenzubringen und dabei nichts an Ihrer Glaubwürdigkeit einzubüßen oder sich hinter Contemporary Art Floskeln zu tarnen. Sie erzählen Geschichten und führen ihren Flirt mit Frankfurt ohne ihre Kunst in „Design“ zu verwandeln, auch wenn das Setting dazu leicht verführen könnte. Siebenunddreißig Werke sind in der Show und es lohnt sich siebenunddreißig mal genau hinzuschauen. Selbst der Schal ist eine Überraschung.

Eine einfache Boy-meets-Girl Love-Story

Und neben all dem Rauch, Glamour und Fame ist es letztlich eine einfache Liebesgeschichte. Ein verknallter Ron Miller, der seit Jahren seine Geisha nicht vergessen kann. Alles was er von seiner Jahre zurückliegenden kurzen Liebesgeschichte noch hat ist ein Passfoto des asiatischen Mädchens. Wer ist sie? Wo ist sie hin? Er weiß es nicht. Aber er hat sich und seine Partner auf die wahrscheinlich naivste und schönste Liebesreise mitgenommen und sie suchen sie unaufhörlich.

Mittlerweile sind aus dem verliebten Jungen drei erwachsene Künstler geworden und wenn Du die Geisha bist: bitte melde dich nicht. Denn die wahnsinnige Kraft des Dreier Teams ist noch längst nicht ausgeschöpft und es gibt noch so viel für sie zu erzählen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie jemals ihre Muse verlieren. Bleib unbekannt und #fuckfame.


Fighting Geisha / Ron Miller „FFAME“ in FFM

Alle Fotos: Denis Leo Hegic. (Titelbild: „One look and I´ll shoot“ / Ron Miller „FFAME“ in FFM wurde zum ersten Mal 2018 auf der Monumenta in Leipzig gezeigt)

Über den Autor: Denis Leo Hegic ist Autor, Kurator und Kulturmanager aus Berlin. Aber auch ein multidimensionales menschliches Wesen, voller Liebe, Wut, Licht, Blut und Scheiße auf der ständigen Suche nach Wahrheit und sich selbst. Seit 2018 setzt er diese Suche auch als Berlin Reporter auf Urbanshit fort. Diesen Beitrag hat er gemeinsam mit Jan Fiedler verfasst.

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