In einer Woche eröffnet die neueste Ausstellung des Künstlerduos We Are Visual (WAV) in der Hamburger Galerie “Raum linksrechts”. Unter dem Titel “Lost Found and Stolen” arbeiten die beiden Künstler Marc Einsiedel und Felix Jung dabei seit der Gründung von WAV 2010 erstmalig getrennt voneinander an einem Projekt, einer in den linken, der andere in den rechten Räumlichkeiten der Galerie “Raum linksrechts”. Abgeschirmt voneinander werden sie die Arbeiten des jeweils anderen erst am Abend der Vernissage sehen.
Wir haben im Vorfeld der neuen Ausstellung mit WAV gesprochen. Dabei haben wir, dem Prinzip der Ausstellung folgend, beide Künstler einzeln interviewt. Marc Einsiedel und Felix Jung kannten die Antworten des jeweils anderen bis zur Veröffentlichung nicht.
Marc Einsiedel von We Are Visual im Interview zur Ausstellung “Lost Found and Stolen”
Urbanshit: Ihr geht mit eurer kommenden Ausstellung einen neuen konzeptionellen Schritt der Zusammenarbeit. Für „Lost Found and Stolen“ arbeitet ihr nach vier Jahren erstmalig getrennt voneinander an einem Projekt. Am Ende stellt ihr gemeinsam als Künstlerduo We Are Visual aus, in zwei getrennten Räumen der Galerie „Raum linksrechts“.
Was ist die Idee dahinter? Wie ist die Idee zu der Ausstellung entstanden?
Marc Einsiedel: Die bisherigen Ausstellungen waren teils auf Kompromissen, teils auf Forschung und Einigkeit aufgebaut. Mein Wunsch war es dieses Jahr eine Ausstellung auf die Beine zu stellen, in der man Konzepte und Ideen eigenständig behandelt.
Als ich Felix kennenlernte, betrieb er mit dem Kollektiv ASA eine Untergrund-Galerie. Etwa ein Jahr später stellte ich dort mit dem Thema „Lost, Found and Stolen“ aus. Das dürfte so etwa 2008 oder 2009 gewesen sein.
Die Galerie Raum linksrechts hat schon vor längerer Zeit Interesse gezeigt uns auszustellen. So kam mir die Idee, das wir als Experiment in zwei separaten Räumlichkeiten – ohne zu wissen was der andere entwickelt – das selbe Thema behandeln. Diskutiert – gesagt – getan.
Us: War dieser Schritt nach vier Jahren intensiver Zusammenarbeit einmal nötig, um die andere Seite von We Are Visual noch besser kennenzulernen?
ME: Nötig, unnötig … würde ich nicht sagen. Wir kennen uns inzwischen so gut, dass wir in manchen Situationen nicht mehr großartig kommunizieren müssen. Bei vielen Dingen hat sich schon ein Automatismus eingeschlichen.
Das Verlangen nach dem alleinigen Schaffen war der Anreiz. Vielleicht sogar auch die Frage nach der Bewältigung, eine Ausstellung zu kreieren hinter der man steht.
Us: In einer Woche eröffnet die Ausstellung. Die Vorbereitungen sind bereits im vollen Gange. Wie ist es, alleine auf eine gemeinsame Ausstellung hinzuarbeiten, ohne zu wissen, was der andere im Nebenraum gerade macht?
ME: Super spannend. Spannender als ich es mir vorgestellt habe. Es fühlt sich wie früher an, als man an den Geschenken die unter der Tanne lagen vorbei ging, man muss aber noch warten. Das Zeigt man dem Gegenüber natürlich nicht!
Ich merke aber auch, dass die Gewohnheit, wie zum Beispiel der Diskurs über eine Arbeit, fehlt und man deutlich länger braucht, um Entscheidungen zu fällen.
Dazu kommt auch noch, dass wir zum Großteil für unserer Installationen Unmengen an Material bewegen, was nun kraftmäßig um die Hälfte reduziert ist. Vielleicht auch mal nicht schlecht, für den Abbau einer Ausstellung nicht zwei volle Tage zu brauchen.
Us: Ihr arbeitet bereits seit 2010 als Künstlerduo zusammen. Was vermisst du an der Zusammenarbeit mit dem anderen?
ME: Gerade überhaupt nichts. Wir haben in den letzten vier Wochen vier Ausstellungen hingelegt. Bei der einen machen wir gerade den Abbau, bei der nächsten fangen wir am selben Abend schon an aufzubauen. Bei dieser hohen Taktung bleibt kaum Zeit für Reflektion. Für mich beinhalten diese zwei Wochen des alleinigen Schaffens Zeit, über das vergangene Jahr nachzudenken.
Us: Zu We Are Visual gehören zwei Künstler. Zu dem Schritt der „getrennten Zusammenarbeit“ gehört eine Menge Vertrauen in den anderen. Kennt ihr euch so gut, dass ihr euch blind vertraut?
ME: Wenn ich E-mails schreibe, die sich um WAV drehen, dann will Felix diese meistens noch einmal Korrektur lesen :-)
Us: Hast du Angst, dass die Ausstellungsbesucher am Ende die Arbeiten von jedem einzelnen bewerten und gegenüberstellen werden?
ME: Nein, gar nicht. Kritik ist mir wichtig. Sie bietet Anreiz zur Diskussion und zur Verbesserung. Und wie soll es eine Gegenüberstellung geben? Wir sind ja nicht eineiige Zwillinge. Wäre aber bestimmt interessant.
Us: Meinst du, dass die Ausstellung Auswirkungen auf eure zukünftige Zusammenarbeit haben wird?
ME: Das kann ich nicht genau sagen. Wenn du mir die Frage nach der Ausstellung noch einmal stellst, kann ich sie dir vielleicht beantworten.
Us: Was sind deine Vermutungen, was der andere für „Lost Found and Stolen“ machen wird?
ME: Ich könnte mir vorstellen, dass in dem Raum gar nichts ist. Es geht um „Lost“ oder auch „Stolen“, vielleicht hat jemand anderes es auch gefunden. Diese Thematik hat eben unbegrenzten Raum zur Interpretation des einzelnen.
Us: Vielen Dank für das Interview.
Hier geht’s zum zweiten Interview: Felix Jung von We Are Visual im Interview zur Ausstellung “Lost Found and Stolen”
Die Künstler Marc Einsiedel und Felix Jung arbeiten seit 2010 unter dem Namen We Are Visual oder auch WAV als Künstlerduo zusammen. Jüngst wurden WAV mit dem ersten Preis des Sella Hasse Kunstpreis 2014 ausgezeichnet.
Ausstellung: Lost Found and Stolen
Vernissage Samstag, 18. Oktober um 19 Uhr
Ausstellung 19. Oktober bis 07. November 2014
Öffnungszeiten Do. bis Sa. 17 bis 20 Uhr und nach Vereinbarung
Raum linksrechts
Valentinskamp 37
20355 Hamburg
We Are Visual
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