Die Arbeiten des Künstlers Hendrik Czakainski sehen aus wie Städte aus der Vogelperspektive. Urbane Strukturen als Abbilder von Realität und Fiktion. Ab dem 22. Oktober sind die beeindruckenden Werke in der Berliner Urban Spree Galerie zu sehen. Wir haben den in Berlin lebenden Künstler zum Interview gebeten und er hat uns auf unsere Fragen geantwortet.
Deine Arbeiten beschäftigen sich nicht nur mit der Stadt, sondern erschaffen eigene urbane Strukturen. Realität oder Fiktion?
Bei meinen Arbeiten handelt es sich immer um Fiktion, die jedoch sehr stark von der Realität inspiriert wird. Dabei bezieht sich die Inspiration nicht nur auf visuelle Eindrücke, sondern auch auf Geschichten und Ereignisse aus Reportagen, Berichterstattungen, Zeitungen und das schöne breite Band unserer Medienkultur.
Wodurch werden deine Arbeiten inspiriert?
Da meine Arbeit sich immer mit dem Aufeinandertreffen von Globalisierung, Industrialisierung und demographischem Wandel auseinandersetzt, sind humanitäre oder Naturkatastrophen oft der Ausgangspunkt. Tsunamis, Überflutungen, Erdbeben aber auch von Menschen verursachte katastrophische Verhältnisse sind Beispiele dafür. Dabei interessiert mich besonders der Slum als soziales und urbanes Phänomen. Ich bin viel gereist und entsprechend viel davon fließt in meine Arbeiten ein. Manchmal ist es aber auch beispielsweise ein Bild aus den Medien, das meine Aufmerksamkeit erregt. Dann arbeite ich mit Screenshots. Architektur ist ein anderer starker Bezugspunkt. Die Kombination aus beiden Einflüssen in meiner Arbeit unterzubringen, macht für mich letztendlich den Reiz aus.
Könnten Teile der Installationen also eines Tages vielleicht ein Stück weit Realität sein?
Eigentlich ist die Realität zuerst da, die ich dann mit meiner eigenen Formensprache ästhetisch umwandele. Oft ist es so, dass die Realität viel schlimmer ist als das, was sich in meinen Arbeiten widerspiegelt.
Städte werden maßgeblich durch Planung und Chaos bestimmt. Spielen diese beiden gegensätzlichen Prinzipien in deiner Arbeit eine Rolle?
Diese Gegensätze sind ein ganz zentraler Teil meiner Arbeit. Ich versuche immer, dem Chaos eine Struktur zu geben, ohne dass das Chaos dadurch verschwindet. Klingt vielleicht paradox, aber in meinen Augen reflektiert dies auch die Welt in der wir leben, nämlich eine Welt der Diskrepanzen. In der Praxis ist es so, dass es manchmal nur eine Linie braucht, die das Werk unterteilt, damit die Komposition einen Halt erfährt, die Chaos und Struktur nebeneinander bestehen lassen.
Von weiter weg betrachtet sehen deine Bilder aus wie reale urbane Siedlungsstrukturen aus der Vogelperspektive. Je näher man herantritt, desto mehr verschwimmen Struktur und Details zu einer fiktiven Welt. Als Betrachter weiß man nie, ob die Makro- oder Mikroebene dominiert?
Für mich ist definitiv die Makroebene wichtiger, denn erst auf dieser entsteht das Bild mit der Struktur als gestalterisches Element. Auf der Mikroebene geht es mehr um handwerkliche Präzision. Ich arbeite im stetigen Wechsel der Perspektiven. In der Senkrechte an der Wand arbeite ich die Makroebene aus, was im Prozess der Malerei sehr ähnelt. In der Horizontale arbeite ich die Mikroebene aus. Dieser ständige Wechsel ist sehr aufwendig, aber nötig. Deswegen könnte meine Arbeit als skulpturale Malerei betrachtet werden, wobei man streng genommen von einer Plastik sprechen müsste.
Kommen wir zu deiner neuen Ausstellung. Was erwartet den Besucher bei „Urban Investigations – Redux?“ in der Urban Spree Galerie in Berlin?
In dieser Ausstellung knüpfe ich an die „Urban Investigations“ vom letzten Jahr an. Der Titel der Ausstellung deutet meine Arbeitsweise bereits an. Redux bedeutet sinngemäß Wiederbelebung eines Themas. Deswegen gibt es neben neuen Arbeiten auch auch ältere, nicht fertiggestellte Werke, die ich umgestaltet habe, um damit neue Aussagen zu treffen. Es gibt diesmal neben großen Formaten auch kleine und mittelgroße Werke, teilweise auch Experimente mit neuen Materialien. Zum ersten Mal gebe ich einen Einblick in die Entstehungsform meiner Arbeit und zeige einige Zeichnungen. Außerdem wird es limitierte, einfarbige Siebdruck-Unikate geben, die ich mit Aquarell koloriert habe.
Vielen Dank für das Interview.
Hendrik Czakainski zeigt unter dem Titel „Urban Investigations – Redux?“ vom 22. Oktober bis 12. November 2016 in der Urban Spree Galerie Berlin in einer umfangreichen Einzelausstellung neue Arbeiten.
Hendrik Czakainski
„Urban Investigations – Redux?“
22.10.2016 – 12.11.2016
Urban Spree Galerie
REVALER STR. 99
10245 BERLIN