Das Kulturkollektiv Ill hat uns einen offenen Brief an den Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD) zukommen lassen, den wir hiermit sehr gerne an die Öffentlichkeit weiter geben.
„Sehr geehrter Herr Innensenator,
eigentlich versuchte ich gerade einzuschlafen (morgen habe ich die Kinder und dann wieder arbeiten), doch dann unterlief mir der Fehler, ich hätte es besser wissen sollen, Ihre gestrigen Interviews mit der Morgenpost und dem Abendblatt zu lesen. Beeindruckt von Ihrer Freiheit von Selbstkritik und voller Bewunderung Ihrer Rhetorik vermag ich nun kein Auge zuzumachen und möchte den vielen anderen Bürgern der Stadt, denen ebenso zumute sein dürfte, den Einstieg in sanfte Träume durch eine zugegeben im Halbschlaf verfasste Laudatio Ihrer weisen Worte (Zitate in kursiv) erleichtern.
Ich weiß, ihr Stuhl wackelt und das weckt bestimmt unangenehme Gefühle, aber nun ja, eben jene muten Sie derzeit tausenden Hamburgern sowie den Polizisten, die Sie allabendlich in weitgehend sinnfreie und aufreibende Auseinandersetzungen schicken, ja auch zu.
Ich möchte Ihnen herzlich zu Ihrer jüngsten, wie Sie sagen (warum eigentlich so zaghaft?) Erfolgsgeschichte gratulieren: Sie haben es durch Ihren sensiblen und weitsichtigen Politikstil, den man von einem ehemaligen Offizier der Bundeswehr vielleicht so gar nicht erwartet hätte, innerhalb von nur sechs Tagen geschafft, drei Stadtviertel zu schikanieren, massiv in die Persönlichkeitsrechte und Fortbewegungsfreiheit zehntausender Menschen einzugreifen, Personen demütigenden Kontrollen auszusetzen, das Klima der Stadt zu vergiften, die Polizei und die Stadt der Lächerlichkeit preiszugeben und – Kollateralschäden gibt es überall – durch die daraus resultierenden Proteste auch noch einige Menschen, Polizisten wie Protestierer, ernsthaft zu gefährden (gerade las ich von einer friedlich demonstrierenden Person, die mit Schädel-Hirn Trauma im UKE liegt; die Zahl der verletzten Beamten können Sie der Presse entnehmen). Kompliment!
Ich beglückwünsche Sie auch deshalb, weil Ihre Erfolge natürlich weitaus größer sind. Sie haben es zugleich auch noch geschafft, und hier verweise ich auf die Worte Ihres smarten Sprechers Streiber, dessen feiner Sinn für Ernsthaftigkeit bei all der Realsatire nicht verloren gegangen ist, die „Ausübung schwerer Straftaten zu verhindern“. Das ist gut, ansonsten käme die Presse wieder auf die Idee, dass die Folgen der Beseitigung des Problems vielleicht schlimmer als das Problem selbst sein könnten. Verhindern lässt sich in einer Welt der unbegrenzten Möglichkeiten natürlich vieles, und verhindert hat man genau das, was nicht eingetreten ist – so die bestechende Logik der Aussagen aus Ihrem Hause. Nach jener haben Sie in den letzten Tagen nicht nur die Ausübung schwerer Straftaten verhindert, sondern vieles mehr, etwa den Einsturz der Roten Flora oder die UFO Landung in Bremen. Bravo!
Kleingeister mögen einwenden, dass man nur das verhindern könne, was auch konkret ansteht, doch daran besteht nach der peniblen Recherche in den Taschen dieser Stadt keinerlei Zweifel. Sie haben Sprengstoff gefunden. Na gut, es war ein sog. Böller, aber auch diese sind, wie sie treffend anmerken, gefährlich (weswegen ich Ihren anderweitigen Einsatz gegen dieses jährliche Ritual besoffener mit Böllern hantierender Menschen außerordentlich schätze). Jedenfalls in den Tagen unmittelbar nach Silvester zeugt das Dabeihaben derartiger Sprengsätze vom unbedingten Willen zur Begehung von Straftaten. Auch die anderen Funde, soweit bekannt, sind erdrückend. Und wo viel gesucht wird, wird auch viel gefunden, was keineswegs eine selbst erfüllende Prophezeiung, sondern untrüglicher Ausdruck einer stark gestiegenen Gewaltbereitschaft ist.
Zudem fand am 20.12 ein Angriff auf die Fensterscheiben der Davidwache und einiger Polizeifahrzeuge statt, der offenbar in unmittelbarem Zusammenhang mit einer einmaligen Veranstaltung, einer Demonstration am 21.12., stand. Und, wer kennt es nicht, ich kann Ihnen ein Lied davon singen (und zwar eines, in dem „St. Pauli“ nicht vorkommt): etwas, das einmal passiert ist, kann durchaus ein zweites Mal passieren. Deswegen bestand nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit eine nicht auszuschließende Gefahr schwerer Straftaten. Übrigens finde ich es durchaus konsequent, einen Ort wie St. Pauli dann zu einem Gefahrengebiet zu ernennen, wenn zusätzlich zu dem ganzen Menschen- & Waffenhandel in den Hinterzimmern noch ein paar Scheiben zu Bruch gehen. Enough is enough.
Möglicherweise ist diese Gefahr sogar ein zweites mal eingetreten, doch das wissen wir, anders als Sie, leider nicht so genau, denn der ein oder andere Querulant behauptet mal wieder anderes und die Videokameras haben nichts aufgezeichnet. Doch Sie sind unbeirrt, denn es sei „höchst problematisch, sich auf anonyme Zeugen zu berufen, die nicht bereit sind, sich gegenüber der Staatsanwaltschaft zu äußern. Und es ist bedenklich, dass in Teilen das Wort eines Anwalts, der keine Zeugen hat, höher bewertet wird als die Aussagen von Polizisten.“ Zeugen, keine Zeugen, anonyme Zeugen, Zeugen die sich nicht selbst belasten wollen, Anwälte, Presseberichte – alles nicht so wichtig, sind nämlich keine Polizisten. Und ja, es ist auch mir unvorstellbar, dass Polizisten oder etwa Innensenatoren in irgendeiner Weise die Wahrheit verschweigen könnten – hat‘s das schonmal gegeben? Immerhin hat die Polizei als Reaktion auf die Pressemitteilung des Anwalts Beuth, das haben Sie vielleicht noch nicht mitbekommen, ihre eigene Darstellung korrigiert. Das zeugt von der tiefen Verpflichtung zur Wahrheit. Unangebracht wäre es daher, mehr Sorgfalt bei der Erstellung von behördlichen Benachrichtigungen einzufordern, gerade dann, wenn sie zur Grundlage von Gefahrengebieten und Diskussionen über Schusswaffeneinsätze gemacht werden. So vernahm ich mit Erschütterung, dass Sie Ihre gestrige Rede zur Eröffnung eines Fußballturniers nicht halten konnten, weil Sie das Publikum lautstark als „Lügner“ verunglimpfte (mögen Sie Ihre gewiss mitreißende Rede nicht wenigstens schriftlich veröffentlichen?)
Was sind die Faktoren Ihrer Erfolgsgeschichte? Ganz bestimmt Ihr Sinn für performativen Humor. Kennen Sie Monty Python (deren Werke ich, allein auf eine einsame Gefahreninsel, zuerst mitnehmen würde)? Stellen Sie sich das vor: Blaulicht, Polizeiwagen, tatütata und so. Vollbremsung, Straße gesperrt, Türen auf, Polizisten springen raus, Helme, Knüppel, los gehts, silly walks, stramm in die eine Richtung. Nach 50m fragt sich der erste, wo genau es eigentlich hin geht, aber da fällts ihm wieder ein: Gefahr! (vielleicht können Sie das wie ein Mantra aus dem Off einsprechen: Gefahr, Gefahr!). Gut, gibt keine Gefahr, alles wie immer. Aber irgendwo muss es ja eine geben, ist schließlich nen Gefahrengebiet. Also andere Richtung, schnurrstracks.. Hmm.. auch hier keine Gefahr. Aber irgendwo muss sie doch sein (und jetzt wieder Sie: Gefahr, Gefahr!). Und da kommt auch schon die nächste Gruppe, behelmt und besessen auf der Suche nach der imaginierten Gefahr. Gut gibt erstmal keine. Dafür nen paar Platzverweise (präventive Gefahrenvorbeuge, fast ne Gefahr). Glücklicherweise unterstützen die Bewohner des Gefahrengebiets, beängstigt und das Schauspiel doch bewundernd, die Beamten auf der Suche nach der Gefahr und stellen sich vorläufig als solche zur Verfügung. Und weil es die Beamten so erfreut, spricht sich diese public-private-partnership in Windeseile herum, schnell gibt es ganz viele Gefahren und Gruppen auf beiden Seiten, von denen keiner mehr so genau weiß, wer warum hinter wem herläuft. Hanseatisch – pragmatisch: Wo kein Problem ist, muss man sich eben eine Lösung schaffen (und nun alle: refrain!) und so nimmt die Erfolgsgeschichte ihren Lauf, der auch durch Nachfragen nach Sinn und Ziel der Maßnahme nicht mehr aufgehalten werden kann. Ursache und Wirkung, das weiß man als Innensenator, sind relativ und transitiv. Nur wer die Kunstform des absurden Theaters nicht verstanden hat, vermag Ihre Leistung zu unterschätzen.
Hinzukommen die sachlichen Aspekte, die, wie Adjutant Streiber lehrt, immer im Vordergrund stehen müssen: Die Polizei hat sich eigenmächtig die Befugnis eingeräumt, mehr als – die Zahlen schwanken – 50.000 Menschen zu kontrollieren und hat davon großzügigerweise nicht immer Gebrauch gemacht. Deswegen verstehe ich, ganz wie Sie, „die Aufregung nicht. Es hieß, wir würden 50.000 Menschen unter Generalverdacht stellen, aber kontrolliert haben wir 800.“ Dankbar sollte man sein, dass nicht auch die anderen 49.000 kontrolliert wurden. Nun könnte man meinen, Sie spielten hier einen billigen Zahlentrick, in dem Sie eine große Zahl mit einer kleinen vergleichen, obwohl sie in keinem sachlichen Zusammenhang stehen. Es kommt vielleicht darauf an, dass Sie Hunderte genervt haben und nicht, wie viele mehr sie hätten nerven können. Und auch, dass natürlich nicht nur die Kontrollierten betroffen waren, sondern auch alle anderen, die an Checkpoints vorbeiliefen und sich dabei musternden Blicken (verzeihen Sie, „Augenmaß“) von unfreundlichen und bewaffneten Mackertypen unterziehen mussten, die in Türstehermanie den Zugang zu Straßen willkürlich blockierten. Auch die Zahl der Platzverweise und Aufenthaltsverbote ist gering, es wäre mehr drin gewesen (auch an Begründungen, aber die scheint man nicht mehr zu brauchen). Nein, in Wahrheit beweisen Sie zwei weitere Tugenden, die wir Hanseaten schätzen: Zurückhaltung und Verzicht.
Auch Ihre Menschenkenntnis überzeugt mich. „Die Frage nach der tieferen Ursache, warum Menschen so voller Hass gegen Staat und Gesellschaft sind, ist eine Herausforderung“, der Sie sich dankenswerterweise angenommen haben. Messerscharf analysieren Sie Ursachen: „Zum Teil haben wir ein Problem mit Wohlstandsverwahrlosung und damit, dass es manchen offenbar zu gut geht.“ Eben. Denn, wems gut geht, der schlägt auch gerne zu, wie die Lebenserfahrung zeigt: „solche Menschen treibt offenbar die reine Lust an Gewalt.“ Nicht aber etwa politische Inhalte: „Man sollte Straftäter nicht dadurch adeln, dass man ihnen politische Motive unterstellt. Es ist eine Herausforderung, mit Extremismus umzugehen.“ Und weil Sie sich bestimmt nicht in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen widersprechen wollen, entnehme ich jenen, dass weder Straftaten noch Extremismus mit Politik zu tun haben können, schließt sich wohl gegenseitig aus. Und, unter uns, vielleicht können Sie das mit Ihren Mitteln genauer untersuchen lassen: Die Aktionen der letzten Tage haben nicht nur nichts mit Politik zu tun, sondern, so befürchte ich, sind Ausdruck perverser Gelüste: Haben Sie mal gesehen, mit was für Dingen die Protestler rumlaufen? Beweist nicht allein das, dass diese „Menschen“ in ihrer Entwicklung irgendwo, ich mags gar nicht aussprechen, in der analen Phase stecken geblieben sind?
Sie liefern eine tiefe Einsicht in die Irrationalität des Menschen: „„Wissen Sie, wie viele Menschen wir in der Nacht auf Montag kontrolliert haben, ohne Anlass? 2000 Autofahrer. Von denen hat sich niemand aufgeregt. Wir kontrollieren in dieser Stadt ständig Autofahrer, ob sie zu schnell fahren oder getrunken haben. Und wir haben im Hauptbahnhof das Recht der Bundespolizei, Menschen jederzeit zu kontrollieren … In diesen Fällen sehen die Menschen ihre Freiheitsrechte nicht eingeschränkt. Umso mehr wundert es mich, dass diese Maßnahme jetzt solche Wellen schlägt. Ich kann mir das nur damit erklären, dass wir eine irrationale Dynamik in geringen Teilen der Gesellschaft haben.“
Wohl wahr! Ein treffender Vergleich, den nur irrationalen Menschen nicht verstehen können. Autofahren ist eine gefährliche Angelegenheit mit tausenden Toten jährlich, weswegen besondere Bedingungen und Regeln an das Führen eines Fahrzeugs gestellt und zur Sicherheit des Verkehrs überprüft werden (Sie kennen das noch aus den Zeiten ohne Chauffeur, etwa diese Führerscheine). Und, da spricht echtes Freiheitsverständnis aus Ihnen: Wenn eine besonders gefährliche Tätigkeit überwacht und eingeschränkt wird, dann doch auch bitte jede weniger gefährliche. Deswegen gelten etwa Regeln für nukleare Anlagen auch an der Pommesbude. Und sowieso: Wer auf dem Schulterblatt herumläuft, ist strukturell so gefährlich wie ein Autofahrer (war das jetzt die These oder der Beweis, ich weiß es nicht mehr, können Sie mal Streiber fragen?). Egal. Als Innensenator muss man solche feinsinnigen Unterscheidungen nicht treffen können. Eins ist sicher: Wer sich über Freiheitseinschränkungen und Kontrollen beschwert, ist und bleibt irrational –nicht gar pathologisch?
Nun, ich werde langsam müde, wollen wir bei all Ihren jüngsten Erfolgen auch die anderen nicht vergessen. Auf einer Demonstration sind rund 700 Menschen verletzt worden, das ist schon nicht schlecht, vielleicht der kollateralschadenreichste Polizeieinsatz der letzten Jahrzehnte (Ihrer Logik zufolge gewiss nicht viel, bedenkt man, dass in Hamburg rund 1,8 Millionen leben, von denen fast alle nicht verletzt worden sind). Außerdem, darauf beharren Sie stets konsequent, sind eigentlich nur rund 170 Menschen verletzt worden, das andere waren Demonstranten. Deren Schutz gehört nicht zu ihren Aufgaben als Innensenator, und die scheinen ja auch selbst schuld zu sein. Auch ich kann mich nur verwundert fragen: Warum stehen die auf einer angemeldeten Versammlung rum? Warum verlassen die nicht den Polizeikessel, wenn sie wahllos mit Tränengas oder wild um sich schlagenden Polizeigruppen konfrontiert werden? Und wenn sie den Kessel nicht verlassen konnten, weil er eben ein Kessel war, hätten die nicht wenigstens was anderes machen können? Denn das Gewaltmonopol muss akzeptiert werden, und das heißt nun mal, wie sie in bestechender Klarheit zeigen, dass nur eine Seite zügellos zuschlagen darf. Übrigens, so mag ich noch ergänzen: Wer meint, dass Gewaltmonopol würde besondere Verpflichtungen mit sich bringen, etwa Transparenz, Selbstkritik und Accountability auf Seiten der Ausübenden, dass es zur Sicherung und nicht zur Abschaffung von Bürgerrechten besteht und dass es auf rechtmäßige Gewaltanwendung beschränkt ist, dem vermag auch ich nur noch verwahrloste Irrationalität attestieren.
Es gab ja gute Gründe für das Stoppen der Demo, und wenn sich einer als falsch herausstellt weil die Videokameras da mal funktioniert haben, wird sich schon ein anderer finden lassen. Welcher es genau war, nicht so wichtig, dem Innenausschuss kann man schon irgendwas erzählen (Streiber fragen) und Hauptsache die Demonstranten waren nicht in der Innenstadt. Sie haben sich das Grundrecht auf störungsfreie Weihnachtseinkäufe zwar nicht ausgedacht, aber wohl am konsequentesten verteidigt: 700 Verletzte sind ein fairer Preis für ein friedliches Jingle Bells auf dem Weihnachtsmarkt.
Recht & Gesetz, da sind Sie standhaft, müssen durchgesetzt werden. „Übrigens weiß ich bisher nicht von einer einzigen Klage gegen das Gefahrengebiet“, was ein verlässliches Indiz für die Verfassungsmäßigkeit ist. Übrigens wissen Sie wohl auch nichts von den Klagen gegen das alte Gefahrengebiet, in denen das Hamburger Verwaltungsgericht etwa festgestellt hat, dass für „ein Aufenthaltsverbot … konkrete Tatsachen die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Straftatbegehung rechtfertigen müssen. Die Zugehörigkeit zum linken Spektrum, die Eintragung in einer polizeilichen Datenbank als ‚Straftäterin links motiviert‘ oder ein allgemein verbal aggressives Verhalten reichen dafür nicht aus“ (Urteil vom 2.10.2012, 5 K 1236/11). Es wäre gewiss juristische Haarspalterei, wenn man von demjenigen, der Recht & Gesetz am lautesten im Munde führt, erwartete, sich darüber zu informieren, was Recht & Gesetz sind. Gerichte haben das Recht nur verschieden interpretiert, doch es kommt darauf an, es durchzusetzen! Chapeau!
Und so möchte ich auch die von Ihrem Sprecher selbst eingeräumte Kritik zurückweisen. In einem (offenbar von der medialen Hetze gegen Sie angestachelten) Anflug von Selbstkritik fiel jenem dann gegenüber der F.A.Z. tatsächlich doch ein Verbesserungsvorschlag ein: Man hätte das Gefahrengebiet „vielleicht besser Schutzzone nennen sollen“. Doch so ein Euphemismus ist Ihre Sache nicht. Sie, Mann der klaren Worte (da kann sich Streiber noch was abschauen)!
Last but not least, Ehre wem Ehre gebührt, Ihre Glanzleistung im Sinne des SPD Programmes: „Die Solidarität mit den Ärmsten und Unterdrückten weltweit ist konstitutiv innerhalb der internationalen sozialdemokratische Parteienfamilie“ (Beschluss vom 14.3.2011). Herzzerreißend, ihr Umgang mit den Ärmsten und Verfolgten, denen Sie weder Unterkunft noch Sorge entgegenbringen und die Erfüllung jener sozialdemokratischen Grundpflichten nicht einmal der Kirche erlauben wollten. Ich kann Ihre Entwicklung in dieser Sache nur begrüßen. Sie haben ja einen neuen, wie der PR-Mensch sagt, „talking point“, und konnten ihn gestern gleich zweimal unterbringen, weswegen ich ihn auch hier wiederholen möchte. Menschen, die vor Krieg und Vertreibung unter lebensbedrohlichen Zustände flüchteten, nennen Sie jetzt „Arbeitsmigranten aus West-Afrika“. Ja, das lassen wir uns auf der Zunge zergehen. Nochmal: „Arbeitsmigranten aus West-Afrika“. Na klar. Die wollen ja auch ne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Das ist gut, das ist stark, das ist die längst untergegangen geglaubte rhetorische Brillanz Herbert Wehners (oder wie hieß dieser Rechtsaußen aus Bayern, nicht Lahm .. Gauweiler..?). Das ist schon nicht mehr diffamierend, das ist Schüren billigster fremdenfeindlicher Ressentiments zur Unterstreichung Ihrer Politik der Barmherzigkeit, just in dem Moment, in dem Ihre geistigen Brüder aus dem Süden der Republik genau dieselben Ängste bedienen (da gehts zwar um Rumänen oder Bulgaren, aber egal, Hauptsache Afrika). Wenn Ihre Genossen Sie dafür nicht eigenhändig rausschmeißen, werden das wohl die Hamburger tun, und deshalb ist es richtig, sich durch Anbiedern nach rechts immer schön Karrierechancen in der nächsten GroKo offenzuhalten.
Finally, so frage ich mich, und das möchte ich auch Ihrer Fantasie und Momenten innerer Einkehr überlassen: wenn die Lampedusa Flüchtlinge Arbeitsmigranten sind, was könnten dann Sie sein? Doch nicht etwa ein armer Opportunist auf dem beschwerlichen Weg zu staatlich finanzierten rauschenden Nächten in Rio? Von Schill lernen, das haben Sie in der SPD schmerzhaft erfahren, heißt siegen lernen. Überhaupt, das beweisen Sie eindrucksvoll, ist an Schill ja auch ein guter Sozialdemokrat verloren gegangen. So wäre ich nicht neidisch, wenn Sie dessen triumphale Erfolge in der inneren Sicherheit noch übertrumpfen und als würdiger Nachfolger auch dessen beruflichen Werdegang teilen würden.
Ich wünschte, ich könnte Ihnen noch so viel mehr sagen, aber meine Augen fallen zu und es ist klar: wenn Menschen wie Sie die Geschicke dieser Stadt lenken, na dann,
Gute Nacht!
Ein Bewohner der Strände von Danger Island“
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