Mich erreichen zwar eine Menge Mails, aber wenige in Form von kritischen „Leserbriefen“. Ich will euch den Kommentar aus Berlin zum ill-Spielplatz nicht vorenthalten.
„Kinder und Tiere
Die Werbung benutzt Kinder und Tiere, wenn entweder 1. das Produkt langweilig ist und der Kunde sich nicht traut oder 2. der Texter ne Null ist (und der Kunde sich nicht traut (?)).
Ich lebe jetzt in Berlin. Ich habe bloß die Fotos gesehen, aber ich wäre gerne mal hin geschippert, zu eurem Piratenschiff…
Auch ihr, liebe ill-Crew, benutzt die Kinder. Ihr baut auf dem Gebrüder-Wolf-Platz einen Spielplatz. Ein richtig geiles Piratenschiff. Mit Anker und ill-Logo und allem, was ein gutes Markenprodukt benötigt.
Und nun? Der Spielplatz ist weg! Huch! DER SPIELPLATZ IST WEG! Und weg sollte er doch auch. Oder? Ihr wusstet, dass alles, was ihr an dieser Stelle aufbaut, wieder abgebaut wird. Egal, was ihr gebaut hättet. Aber einen Kinderspielplatz abreißen – und noch einen so coolen dazu – das machen nicht nur Idioten. Das müssen Arschlöcher sein, stimmt´s? Die Stadt Hamburg ist ein reaktionäres Arschloch! Nicht bloß konservativ. Es stinkt! Jawohl! Obwohl der Fischgeruch hier und dort uns doch der liebste der Welt ist. Deshalb ist es bitter- deshalb murrt ihr. Deshalb mag ich eure Arbeit. Ihr opfert eure Zeit und euer Geld, seid selbst so was wie Piraten (und ich unterstelle nicht, dass ihr spielt), wenn ihr mitten im Brauereiquartier ein Plätzchen kapert für die Kinder. Ihr macht aufmerksam auf wasted urban spaces. Wir brauchen Diskurse. Auch – gerade heutzutage – zum Thema Stadt(ver-)planung. Ihr redet nicht bloß. Ihr handelt. Ihr riskiert, für eure Aktionen bestraft zu werden. Denn erlaubt ist das ja nicht, einfach so in die Stadtwüste hinein einen Spielplatz zu setzen. Das finde ich couragiert, es imponiert mir. Ich verfolge eure Aktionen. Bin gespannt, was als nächstes kommt. Und: Ich will gut finden, was gut ist.
Deshalb nervt es mich, wenn ihr, wie bei eurer Spielplatz-Aktion auf einen billigen Taschenspielertrick zurückgreift. Zurück zum Anfang: ihr wusstet, was auch immer ihr an oben genanntem Ort errichtet, wird abgebaut. Einen Kinderspielplatz (der auch bespielt wurde) aufzubauen, um ihn abreißen zu lassen ist natürlich ein tolles Symbol, zu verdeutlichen, wo wir heute stehen. Umgeben von Scheinheiligkeit und Bürokratie, aber Hauptsache TÜV-geprüft… Ich verstehe euch. Ich stimme euch zum Teil auch zu und doch stößt die Aktion mir auf. Weil die Kinder nichts dafür können. Weil wir sie raus halten sollten, aus unseren Diskursen. Weil wir sie in der Natur spielen lassen sollten, nicht in den Häuserschluchten der Betonwüsten.
Liebe ill-Crew, hättet ihr diesmal nicht ein bisschen weniger moralisch und dafür umso kreativer sein können? Hätte man diese Aktion nicht benutzen können, um diejenigen, die sich angesprochen fühlen sollten, sich selbst demontieren zu lassen? Was hätte man alles aufbauen können, dessen Abbau – dokumentiert – eine weit größere Strahlkraft gehabt hätte, als sich nun über den verschwundenen Spielplatz zu mokieren.
Liebe Freunde, ich finde euch immer noch toll und ich hoffe, ihr nehmt es mir nicht übel, aber Kinder und Tiere gehören geschützt. Nicht instrumentalisiert. Nicht für die Werbung und schon gar nicht für Politik.
Eure Eleanor Savage
PS: Bei mir im Schrank steht noch ein kleines Ideenköfferchen. Wenn ihr mögt, meldet euch doch mal bei mir.“
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via: Mail, danke!
Fotos: Sebastian Asiedu