„Jedes Lächeln eines Passanten ist wie eine prall gefüllte Lohntüte“ Interview mit Barbara.

8. Dezember 2015
4 mins read

Vor über einem Jahr haben wir schon einmal mit Barbara. gesprochen. Seitdem ist eine Menge passiert. Nicht nur in der Welt, sondern auch bei der Plakatkönigin Barbara. Es war also an der Zeit, sich einmal wieder ausführlicher mit Barbara. zu unterhalten.

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Barbara., wir kennen uns nun schon länger. Trotzdem, erzähl’ uns etwas über dich.

Ich bin ein Mensch so wie du.

Anfangs dachten manche, Barbara sei nur ein weiterer Social-Media-Trend, der schon bald vom nächsten abgelöst werde. Heute, nach fast zwei Jahren, bist du immer noch aktiv, ja sogar aktiver denn je zuvor. Was treibt dich an auf die Straße zu gehen?

Ich sage gerne meine Meinung und hab den öffentlichen Raum für mich als Spiel- und Arbeitsplatz entdeckt. Es ist eine niemals versiegende Quelle der Inspiration und ich habe sehr viel Freude daran ständig die Augen offen zu halten und meine Ideen umzusetzen.

Wen möchtest du mit deinen Kommentaren erreichen?

In erster Linie möchte ich meine Gedanken und Ideen umsetzen und loswerden. Ein bestimmtes Zielpublikum hab ich nicht, ich freue mich über jeden Menschen, der sich mit meiner Arbeit beschäftigt. Jedes kleine Lächeln eines Passanten ist für mich wie eine prall gefüllte Lohntüte.

Seit unserem Gespräch im Frühjahr letzten Jahres ist eine Menge passiert. Du erreichst tagtäglich eine Menge Menschen. Du hast über 300.000 Facebook Follower, warst in den Tagesthemen und nahezu jeder größeren Tageszeitung. Hast du das Gefühl, die Leute heute besser zu erreichen als nur durch deine Arbeit im öffentlichen Raum?

Ja, die sozialen Netzwerke sind wie geschaffen für Künstler, die ein Publikum suchen. Allerdings geht auch immer ein guter Teil des Kontextes einer Aktion auf der Straße verloren, wenn nur ein Foto oder Video im Internet angeschaut wird. Kunst auf der Straße hat immer einen Überraschungsmoment, weil sie die Leute unvermittelt trifft und niemand damit rechnet. Im Netz erscheint ein Post von mir und die Leute schauen nach, was die Barbara jetzt schon wieder gemacht hat. Nichtsdestotrotz bin ich froh und dankbar für das Interesse der Netzgemeinde an meinem Tun, Feedback erhalte ich fast ausschließlich hier.

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Ist das Internet eine neue Art des öffentlichen, urbanen Raumes?

Der öffentliche Raum wird im Internet reflektiert, dadurch wird das Netz ein Teil davon. Aber um echte Urbanität bzw. realen Urbanshit zu erleben, muss man schon raus auf die Straße, auch wenn das einige Sofa-Nerds nicht gerne hören wollen.

Du bist schon lange keine Unbekannte mehr. Werden deine Plakate mittlerweile direkt nach dem du die gepostet hast abgerissen und landen bei irgendeinem Fan über dem Sofa?

Das weiß ich gar nicht, da müsste ich meine Plakate mal mit GPS ausstatten um das nachvollziehen zu können.

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Wenn man deine Arbeit verfolgt, sieht man, dass du viel in Deutschland unterwegs bist. In welchen Städten gehst du vor allem kleben?

Die meisten Sachen geschehen in und um Berlin, aber da ich viel Zeit in Heidelberg verbringe, entsteht auch einiges dort und in der Nachbarstadt Mannheim. Grundsätzlich bin ich sehr viel unterwegs, will im Frühjahr auch eine ausgiebige Tour durch Ostdeutschland machen und auch Hamburg steht weiterhin oben auf meiner To-Go-Liste.

Suchst du dir deinen Arbeitsplatz gezielt aus? Also in etwa: in Hamburg war ich noch nie, da muss ich unbedingt man hin … oder: in München gibt es so viele Verbote, da muss ich auf jeden Fall mal was machen …

Es gibt keine einzige Deutsche Stadt, in der es einen Mangel an Verbotsschildern geben würde, ich werde überall fündig. In dieser Hinsicht unterscheiden sich München, Hamburg, Heidelberg oder Buxtehude überhaupt nicht. Deutschland ist die Mutter aller Verbotsschilder.

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Stimmt, in Deutschland gibt es eine regelrechte Verbotskultur. Warum gibt es eigentlich keine Schilder, die explizit Sachen erlauben, wie zum Beispiel: Auf diesem Platz bitte Ball spielen.

Weil sich wahrscheinlich sehr schnell eine besorgte Bürgerinitiative gründen würde, die auf die Gefahren des Ballspielens und der damit einhergehenden Lärmbelästigung hinweisen würde. Wenn die Kinder beim Ball spielen so laut rumschreien, kann man doch nichtmal mehr in Ruhe dem Verkehrslärm lauschen.

Du kommentierst häufig das aktuelle gesellschaftspolitische Treiben. Wurde dir schon mal eine Rolle als Gastkommentatorin angeboten?

Es gab ein paar Angebote, aber nichts, das mich wirklich gereizt hätte. Ich möchte mich zu nichts verpflichten, das mich dazu zwingt etwas abliefern zu müssen. Meine Arbeit funktioniert nur, wenn ich unabhängig und völlig frei die Welt auf mich wirken lassen kann, um dann im richtigen Moment zuzuschlagen, beziehungsweise anzukleben.

Gibt es gesellschaftliche Themen, die dir besonders auf der Seele brennen?

Hass. Ich hasse den Hass. Liebe finde ich besser. Ich liebe die Liebe.

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Gibt es auch Themen, die du lieber nicht anfasst oder auf die du einfach keine Lust hast?

Ja, definitiv. Von mir gab es zum Beispiel keinen Kommentar zum Fall Edathy oder zu den Sexismusvorwürfen gegen Brüderle oder zum scheitern von Wetten Dass…??? unter Lanz oder zu Justin Bieber im allgemeinen. Ich halte mich aus allen populistischen Shitstorms raus, die darauf abzielen eine Person fertigzumachen. Shitstorms sind die Pest der sozialen Netzwerke und alle, die sich daran beteiligen, sind oftmals nicht besser als der- oder diejenige, gegen den/die sich der Shitstorm richtet. Sie bringen nichts gutes und nützen niemandem, alles wird schlimmer durch Tonnenweise abgeladenen Hass, der sich gegen eine Person richtet. Egal was diese Person getan hat. Manche Menschen werden von der Gesellschaft verurteilt und fertig gemacht, noch bevor die Schuld oder ein Fehler überhaupt nachgewiesen sind, wie früher bei der Hexenjagd. Da mache ich nicht mit. Niemals.

Humor ist ein zentraler Bestandteil deiner Kommentare. Lässt sich Gesellschaftskritik besonders gut über Humor kommunizieren?

Wenn man jemanden mit einem krassen Thema konfrontiert und ihn dabei zum Lachen bringt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er nicht mit der Faust reagiert. Humor ist der beste Katalysator für den Umgang mit allen Problemen des Alltags. Das gilt auch für Krieg und dessen Vermeidung. Vielleicht sollten sich Putin, Obama, Merkel und all die anderen Weltenlenker zu Beginn eines jeden Treffens erstmal ihren Lieblingswitz erzählen um die Stimmung aufzulockern.

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Bekommst du manchmal böse E-Mails oder posten die Leute Hasskommentare, wenn sie deinen Humor nicht verstehen?

Beides kommt gelegentlich vor. Hass ist überall, aber Liebe auch. Und Liebe ist immer stärker als Hass.

2015 ist eine Menge passiert, das Jahr ist so gut wie Geschichte. Was planst du für 2016?

Ich habe keine konkreten Pläne für das nächste Jahr, ich lasse mich treiben. Mein wichtigstes Ziel ist es, die Freude an meiner Arbeit nicht zu verlieren.

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Vor kurzem ist das erste Buch von Barbara. Dieser Befehlston verletzt meine Gefühle bei Bastei Lübbe erschienen.

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Bilder: Barbara. Mit freundlicher Genehmigung.
Buchcover: Bastei Lübbe

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