„Der Ort passt einfach gut zum BMX fahren“ Bruno Hoffmann nachts mit dem BMX auf dem Teufelsberg

24. Oktober 2017
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Der Frankfurter Bruno Hoffmann gehört zu den besten Street BMX Fahrern der Szene. Von seinem BMX aus sieht er die Stadt mit anderen Augen als die meisten anderen und hat einen besonderes Faibel für Lost Places.

Kurz vor dem Start der zweiten Staffel der Science-Fiction-Mysteryserie Stranger Things hat Bruno Hoffmann zusammen mit Red Bull seinen neuesten BMX Film released, in dem er nachts durch den Wald und die Ruinen der ehemaligen Abhörstation auf dem Berliner Teufelsberg fährt.

Wir haben den neuen Film zum Anlass genommen und Bruno Hoffmann zum Interview getroffen. Darin erzählt der Frankfurter, wie es ist, an einem Ort zu fahren, der in Zeiten des Kalten Krieges zum Abhören diente und warum er die Stadt anders als 99,9% der Menschen sieht.

Bruno-Hoffmann-red-Bull-1Foto: Lorenz Holder

Urbanshit: Wie bist du zum BMX fahren gekommen? Bist du als Kind einfach gerne Fahrrad gefahren und irgendwann wurde das normale Fahren zu langweilig? Oder gab es irgendein Schlüsselerlebnis, das dich auf’s BMX gebracht hat?

Bruno Hoffmann: Das ist eigentlich eher eine 0815-Geschichte. Bei uns in Siegen hatten wir als Kinder relativ viel Platz. Hinter unserem Haus gab es eine Art Schutthalde von der Stadt, wo wir als Kinder mit unseren normalen Fahrrädern immer gefahren sind. Irgendwann hat mir meine Mutter mal – ich glaube eher zufällig – eine Ausgabe des Freedom BMX Magazins mitgebracht und dadurch habe ich erst gesehen, dass es so etwas wie BMX fahren überhaupt gibt. Dann habe ich gemerkt, dass es eine ganze BMX Szene gibt und bin dann mit meinem Vater in Köln in einen BMX Laden gegangen. Dort habe ich mir weitere Magazine und Videos gekauft. Zu meinem 8. Geburtstag habe ich dann mein erstes BMX Bike geschenkt bekommen. Das war anfangs noch viel zu groß und ich habe mir erstmal sieben Milchzähne damit ausgeschlagen. Danach hatte ich, bis ich 10 oder 11 Jahre alt war, erstmal keinen Bock mehr auf BMX fahren. Die Lust kam dann aber wieder und ich bin bis heute dabei geblieben.

Fährst du auch mal mit dem Skateboard oder Longboard durch die Stadt oder bleibst du dem BMX treu?

Ich kann ein bisschen Skateboard fahren, schließlich haben BMX und Skateboard ja auch viel miteinander zu tun. Eine Menge meiner Kumpels fahren Skateboard und ab und zu springe ich dann auch mal für eine halbe Stunde auf ein Board, aber dabei bleibt’s dann auch. Mit Longboard fahren habe ich eher nichts zu tun. Longboards haben es glaube ich allgemein eher schwer in der Szene und werden ein bisschen ausgelacht in der Szene oder? (lacht)

Bruno-Hoffmann-red-Bull-2
Foto: Lorenz Holder

Zusammen mit Red Bull hast du gerade einen neuen Film gedreht, für den du die Spitze des Teufelsbergs in Berlin mit dem BMX erklimmst. Erzähl uns was über dein neuestes Projekt.

Auf der alten Abhörstation in Berlin beim Teufelsberg gibt es sehr viele Gegebenheiten und natürliche Spots, die spannend zum Fahren sind. Aus dem, was es einmal gab, sind jetzt Brachlandschaften geworden. Eine schöne Mischung aus irgendwie urban, etwas abgefuckt und Ghetto Feeling. Die perfekte Kulisse für coole Bilder. Der Ort passt einfach gut zum BMX fahren. Zumal Street BMX fahren ja genau das ist, was man selber aus der Stadt und den architektonischen Gegebenheiten macht, wie man sie interpretiert und sie für das Fahren zweckentfremdet. Deswegen finde ich Street fahren auch so cool, weil man auf dem BMX – genau wie beim Skateboarden oder Sprühen – die Stadt mit anderen Augen sieht und du sie genau so nutzt, wie man möchte. Das Filmprojekt mit Red Bull hat sich einfach so ergeben, da alles zusammenpasst hat. Schaut euch das Video an, dann seht ihr, was wir daraus gemacht haben.

„Der Ort passt einfach gut zum BMX fahren. … Schaut euch das Video an,
dann seht ihr, was wir daraus gemacht haben.“

In bester Manier von Stranger Things erkundest du bei Nacht mit dem BMX den mystischen Ort Teufelsberg. Hat man mit dem BMX einen besonderen Blick für solche Orte?

Ja, absolut. Egal wo man hinkommt, ob man sein BMX gerade dabei hat oder nicht. Egal wann, wo oder wie, du hast immer den Blick für die Stadt, den 99,9% der anderen Leute nicht haben. Man sieht beispielsweise eine schöne, alte Kirche oder ein modernes Gebäude und guckt sich einfach nur die Treppe oder das Geländer davor an und schaut, ob es fahrbar ist oder nicht, ob die Anfahrt und die Abfahrt gut ist oder ob das Material des Geländers grindbar ist. Ich glaube, diesen Blick hat man dann für immer. Das ist nichts, was man einfach so abstellen kann.

Bruno-Hoffmann-red-Bull-3Foto: Lorenz Holder

„Egal wann, wo oder wie, du hast immer den Blick für die Stadt,
den 99,9% der anderen Leute nicht haben.“

Dadurch sieht man die Stadt einfach durch andere Augen und man entdeckt ganz andere Teile von der Stadt, wo andere Leute gar nicht hingehen würden. Und die besten Spots sind meistens eh in den etwas „angefuckteren“, eher low-income Vororten. Vor kurzem war ich in New York und Philadelphia unterwegs. Philadelphia ist eine der ärmsten Städte in Nordamerika. Du fährst da durch Stadteile, wo man denken könnte, es hätte eine Bombe eingeschlagen. Es gibt Gangs, krasse Waffengewalt und offensichtliche Drogenprobleme. Und das ist das Coole am Rad fahren. Du hast immer so eine Art Medium, wo alle miteinander cool sind. Da trifft man auf Leute, die dich unter anderen Umständen vielleicht ausrauben würden, aber da du das BMX dabei hast, feiern die dich total ab, wollen auch mal fahren und lassen dich dann in Ruhe. Dementsprechend ist es mit dem Fahrrad ein cooler Weg, um Städte oder Kulturen auf einer ganz anderen Ebene wahrzunehmen und kennenzulernen.

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Foto: Lorenz Holder

„In gewisser Weise ist es eine Art von Protest.
Die Stadt gehört ja schließlich allen.“

Der Teufelsberg ist ein ehemaliger Spionage-Ort, von dem aus u.a. die NSA lange Zeit abgehört hat. Heute ist die verlassene Station eine fantastische Kulisse für Filmdrehs? Wie fühlt es sich das an, durch einen solchen Ort zu fahren?

Das war schon ziemlich interessant. Es ist jetzt schon ein paar Jährchen her, dass ich in der Schule war, aber mich hat Geschichte und auch das Thema Kalter Krieg schon immer interessiert. Ich hatte also bereits eine Ahnung davon, wie damals die Gegebenheiten waren. Gerade von daher fand ich es interessant, diesen Ort, den man eigentlich nur aus Schulbüchern kennt, in echt zusehen. Wenn du Dir überlegst, dass vor 30 Jahren dort noch die Amis die Russen abgehört haben, ist es schon irgendwie imposant zu sehen, wie sich einerseits die Natur und auf der anderen Seite die Subkultur genau diesen Ort zurückerobert haben. Es hätte sich auch in eine ganz andere Richtung entwickeln können. Es ist auf jeden Fall interessant, dass man jetzt, 30 Jahre später, einfach Rad fahren und sich austoben kann. Quasi wie auf einem großen Abenteuerspielplatz für Erwachsene.

Lass uns über gute Spots zum Biken reden. Viele Städte bauen mittlerweile eigene Skate- und BMX-Parks? Braucht man die überhaupt oder ist es nicht viel interessanter seine Orte selbst zu entdecken und zu erobern?

Das ist eine interessante Frage. Einerseits ist es viel befriedigender, wenn ein Trick auf der Straße passiert, also an einem Spot, der eigentlich nicht zum Fahren gemacht worden ist. Ich meine damit die Zweckentfremdung von Orten, die ich eben schon angesprochen habe. Skate-Parks sind ja dafür gemacht, dass du eben genau dort fährst. Aber ich glaube, dass Skate-Parks gleichzeitig auch eine wichtige Rolle spielen, weil dort die jungen Kiddies den ersten Bezug zum Sport bekommen und in Ruhe Tricks lernen können. Meiner Meinung nach, sollten die Städte nur noch halb so viele Fußballplätze und dafür doppelt so viele Skate-Parks bauen. Quasi nach amerikanischem Vorbild, wo für jede kleine Gemeinde es fast schon ein Muss ist, einen eigenen Skate-Park zu haben. Vor allem für den Nachwuchs sind die Parks wichtig, um Springen und Bike-Kontrolle zu lernen. Wenn du noch nicht gut fahren kannst, willst du dich ja nicht gleich irgendwo eine Treppe mit 10-15 Stufen runterstürzen, sondern im Skate-Park erst mal üben. Du brauchst also zuerst einen Skate-Park, um das Gelernte dann irgendwann auf die Straße übertragen zu können.

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Foto: Lorenz Holder

„Die Städte sollten nur noch halb so viele Fußballplätze
und dafür doppelt so viele Skate-Parks bauen.“

Würde es dann nicht Sinn machen, mehr Lost Places, wie alte Fabrikgelände oder verlassene Industriebrachen, in der Stadt als „urban playgrounds“ zu öffnen?

Das finde ich nicht. Die ganze Subkultur rund ums Skaten und BMX fahren hat immer noch seinen Platz in der Illegalität. Es hat halt einen gewissen Reiz, wenn du raus gehst und einen Trick filmen willst und du genau weißt, dass du es innerhalb von fünf Minuten schaffen musst, weil sonst die Securities kommen und einen wegschicken oder sogar die Cops rufen. Wenn man überall fahren dürfte, würde es seinen Reiz verlieren. Das macht das Fahren auf der Straße schließlich auch aus. Du weißt halt nie was passiert und eroberst dir einfach die Stadt zurück, auch wenn es nicht erlaubt ist, weil es Privatgelände ist und kein öffentlicher Raum. In gewisser Weise ist es eine Art von Protest. Die Stadt gehört ja schließlich allen.

Was war der abgefahrenste Ort, an dem du jemals gefahren bist?

Schwer zu sagen. Jede Stadt hat sein eigenes Flair und seinen eigenen Vibe. Ich war ein paar Mal in China und da ist es auf jeden Fall ziemlich crazy gewesen. Ich glaube das liegt daran, dass BMX fahren und auch Skaten da noch total wenig verbreitet sind. Dementsprechend ist es dort entspannter zu Fahren, weil nicht sofort der Zusammenhang zwischen BMX fahren und möglicher Sachbeschädigung hergestellt wird, wenn du über eine Treppe grindest.

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Fotos: Lorenz Holder

Welche Location steht ganz oben auf deiner „Spots to ride before you die“ Liste? Wo willst du unbedingt mal fahren?

Gute Frage. Ich glaube Moskau. Ich war mal für ein Wochenende dort, auf einem Wettbewerb. Da habe ich aber nur das Hotel, die Location und ein ganz bisschen von der Innenstadt gesehen. Moskau ist eine tighte Millionenstadt, mit einer guten Szene. Es gibt dort eine Menge guter Jungs, mit denen ich auch connectet bin. Dort könnte ich mir gut vorstellen mal 1-2 Wochen zu verbringen, um wenigsten ein paar der zigtausend Spots zu fahren. Durch die sowjetische Architektur mit viel Beton und Marmor, sowie den vielen Statuen, gibt es einfach so viele gute Spots.

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Fotos: Tim Korbmacher

Welche Projekte stehen als nächstes bei Dir an?

Mit meiner Rahmenfirma Federal Bikes, für die ich letztens auch in Philadelphia war, planen wir ein Full-Lenght-Video. Das heißt, es wird jetzt für das nächste Jahr gefilmt. Deswegen stehen dafür in nächster Zeit noch ziemlich viele Trips an. Schließlich soll nur das Beste vom besten in das Video kommen. Ansonsten fahre ich Anfang November noch mal eine Woche nach Texas. Das wird bestimmt auch cool. Noch mal etwas texanische Sonne tanken, bevor der deutsche Winter kommt.

Vielen Dank für das Interview!
Um mehr über den Frankfurter Street BMX Fahrer Bruno Hoffmann zu erfahren und immer auf dem Laufenden zu sein, besucht seine Website und folgt auf Instagram und Facebook.

Rudolf

Gründer von Urbanshit. Brennt für Urban Art seit dem er denken kann. Lebt und arbeitet in Hamburg.

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