Begleitet uns auf einen Street Art Roadtrip durch Zentralportugal, auf eine Rundreise in verwunschene Kleinstädte in den Bergen, zu abwechslungsreichen Landschaften zwischen Gebirge und Atlantikküste und zu Urban Art Kunstwerken von den besten Künstlern der Welt.
Der erste Stop unseres Street Art Road Trips ist Covilhã. Im Herzen von Portugal, liegt im Centro de Portugal, eine ganz besondere Stadt, die es in sich hat. Umgeben von Bergen, schmiegt sich die Stadt Covilhã auf 700 Metern Höhe in die grünen Talausläufer der Serra da Estrela, dem westlichen Teil des höchsten Gebirges auf dem portugiesischen Festland. 50.000 Menschen leben und arbeiten hier, darunter fast 7.000 Studierende der Universidade da Beira Interior. Das war nicht immer so, denn die Geschichte der Stadt ist eine ganz andere, auf die es sich lohnt, einen genaueren Blick zu werfen.
Die Stadt schaut auf eine ruhmreiche Vergangenheit als Industriestadt zurück. Covilhã gehörte einst zu den bedeutendsten Orten der Wollproduktion. In der Blütezeit verarbeiteten hier bis zu 200 Fabriken Wolle aus der ganzen Welt zu Stoffen, Garnen und Textilien, die anschließend rund um den Globus exportiert wurden. Die ersten Fabriken um die Jahrhundertwende siedelten sich entlang der beiden Flüsse Goldra und Carpinteira an, die sich wie zwei grüne Bänder von den Bergen ins Tal schlängeln.
Später wuchsen die Fabriken mit ihren weit sichtbaren Schornsteinen aus Backstein bis ins Stadtzentrum. Covilhã wurde immer größer und Stadt und Bewohner lebten rund ein Jahrhundert lang fast ausschließlich von der Wollindustrie. Mit dem Wandel der Industrie von Einzelproduktionsstätten hin zu großen Industrieanlagen am Stadtrand und der Verlagerung von großen Teilen der Produktion ins Ausland, stand auch für Covilhã ein großer Wandel an. Ein Strukturwandel, der bis heute in der Stadt merklich spürbar ist, und der die Stadt heute so interessant macht.
Seit zehn Jahren verwandelt das WOOL Festival die Altstadt von Covilhã in eine große Urban Art Galerie und würdigt die Geschichte der Stadt durch Kunst
Die Liste der Namen, die sich mit großen und kleineren Kunstwerken im öffentlichen Raum von Covilhã bereits verewigt haben, ließt sich wie das Who-is-who der portugiesischen Urban Art Szene. In den letzten Jahren waren so gut wie alle bekannten Urban Art Künstler Portugals zu Gast in der Gebirgsstadt. Ob VHILS, Bordalo II oder der Fliesenkünstler Add Fuel, sie alle haben ihre Spuren in Covilhã hinterlassen. Soweit nicht ungewöhnlich, schließlich gibt es viele Städte auf der Welt, deren Szeneviertel voll mit spannender Street Art sind. In der portugiesischen Gebirgsstadt ist es etwas anders.
Kaum einer der vielen Künstler, der hier zu Besuch war, hat die Stadt mit seiner Kunst einfach nur bunter gemacht, sondern hat mit seinem Kunstwerk die Vergangenheit der Stadt aufgegriffen und die Geschichte durch Street Art interpretiert – oftmals in enger Zusammenarbeit mit den Einwohnern und Gastgebern aus Covilhã.
Alles begann vor zehn Jahren, als die Architektin Lara Seixo Rodrigues gemeinsam mit ihrem Bruder Pedro und der Freundin Elisabet Carceller beschlossen ein Urban Art Festival ins Leben zu rufen. Damals gab es in Covilhã gerade einmal eine Hand voll Graffiti und Tags, wie sie in jeder mittelgroßen Stadt zu finden sind. Für die Idee eines eigenen Festivals kehrten die drei 2011 aus Lissabon zurück in ihre alte Heimat, in der sie ihre Kindheit und Jugend verbracht haben und den Strukturwandel selbst miterlebt haben – und der vielleicht auch genau der Grund war, warum sie nach der Schule in die Hauptstadt zogen.
Die erste Ausgabe des WOOL Festivals für Urban Art fand im Sommer 2011 statt. Die Werke des ersten Festivaljahres sind bis heute in der Stadt zu finden. Seit dem findet einmal im Jahr, immer in den frühen Sommermonaten das WOOL Festival statt. Jahr für Jahr laden die Macherinnen eine Hand voll Künstler ein, um sich mit der Geschichte der Stadt zu beschäftigen und um ihre Kunst in den öffentlichen Raum zu bringen. Jedes Mal sind Künstler aus Portugal und Künstler aus der restlichen Welt dabei. Alle mit der Aufgabe, ein eigenes Werk speziell für die Altstadt von Covilhã zu entwickeln und umzusetzen.
Über die letzten zehn Jahre sind über 50 Murals, Installationen und Interventionen von rund 30 verschiedenen Urban Art Künstlern entstanden. Verteilt über die ganze Altstadt hat das WOOL Festival eine große Freiraumgalerie geschaffen, deren einzelnen Kunstwerke auf ganz unterschiedliche Art und Weise die Geschichte der Stadt erzählen. Mal ganz offensichtlich, mal subtil wird die Vergangenheit Covilhãs durch Urban Art interpretiert.
Durch kleine Gassen und über Plätze, lässt sich die Street Art in der Altstadt auch ganz ohne Mural Map und Stadtplan entdecken. Über schmale Treppen und steile Straßen steigt man dabei ganz automatisch bis auf den höchsten Punkt der Stadt hinauf und durchläuft dabei die verschiedenen topografischen Schichten der Gebirgsstadt und entdeckt immer neue Street Art.
Seit mehreren Jahren schließt das WOOL Festival auch benachbarte Städte und Dörfern mit in sein Programm ein. Rund um Covilhã sind so in den letzten Jahren zahlreiche Murals entstanden, die die Mission des WOOL Festivals, Kunst in den öffentlichen Raum zu bringen, in die gesamte Region tragen. Für alle, die Kunst im Zentrum von Covilhã erkundet haben, lohnt sich definitiv ein Ausflug mit dem Auto ins Umland.
Mehr Informationen über das WOOL Festival in Covilhã und zu den teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern gibt es auf dem Instagram Channel des Festivals. Eine Karte mit allen im Rahmen des Festivals entstandenen Kunstwerken gibt es als praktische Google Maps Karte für unterwegs.
Zu den weiteren Stationen des Street Art Roadtrips
Teil 2: Figueiró dos Vinhos – Eine historische Altstadt voller Street Art und Geschichte
In Figueiró dos Vinhos verschmelzen Street Art und Stadtgeschichte zu einer Open Air Galerie, die sich über den gesamten historischen Kern des charmanten 3.000-Einwohner-Städtchens erstreckt … Hier geht’s zum Beitrag
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Aveiro erinnert auf den ersten Blick an ein kleines Venedig. Auf den zweiten Blick hat die Hafenstadt viel mehr, nämlich ein ganz eigenes urbanes Flair und ganz viel bunte Street Art … Hier geht’s zum Beitrag
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