Interview mit Miroslav Menschenkind über die Faszination verlassener Orte

6. Oktober 2015
3 mins read

Am Donnerstag eröffnet die Ausstellung „auszu4“ in der Hamburger xpon-art gallery. Die Gruppenausstellung versammelt vier Fotografen und einen Urban Art Künstler, die sich der Faszination verlassener Orte widmen.

Wir haben im Vorfeld mit dem Kurator Miroslav Menschenkind gesprochen und erste Einblicke in die kommende Ausstellung. Bereits das vierte Mal lädt der Fotograf und Galerist zur Ausstellungsreihe „Auszug“ Künstler nach Hamburg ein.

Gerry Langer – 2014 - Pripyat Vergnügungspark Ukraine
Gerry Langer – 2014 – Pripyat Vergnügungspark Ukraine

Was erwartet uns bei der kommenden Ausstellung „auszu4″?

Eine fotografische Reise an Orte, die nur wenige Menschen zu Gesicht bekommen oder bekommen haben, da einige mittlerweile nicht mehr existieren.

Verlassene Orte strahlen auf viele eine große Faszination aus. Was macht diese Orte so interessant?

Zu aller erst das Finden. Es gleicht einer Schatzsuche. Man ist immer auf der Suche nach neuen Orten, die noch niemand zuvor fotografiert hat. Der Nervenkitzel, wenn man immer neue Türen öffnet ohne zu wissen, was sich dahinter verbirgt. Dieser wird auch dadurch gefördert, dass man immer Gefahr läuft entdeckt zu werden, da das Betreten vieler Orte nicht erwünscht oder gar verboten ist.

Verrätst du uns vorab ein oder zwei Orte, die in der Ausstellung zu sehen sein werden?

Es wird Bilder aus der Sperrzone Tschernobyl zu sehen geben. Ein Ort der auch zwanzig Jahre nach der Katastrophe gespenstisch wirkt. Viele der anderen Orte sind geheim, aber es sei soviel verraten, dass vom Kinderzimmer, bis zum OP Saal alles vertreten ist.

Nils Grudzielskie – 2014 – „Träum süß“ - unbekannt
Nils Grudzielskie – 2014 – „Träum süß“ – unbekannt

Wie hast du die Fotografen gefunden, die sich alle vier ja schon lange mit dem Thema Lost Places beschäftigen?

Nils ist quasi ein Urgestein der „…auszug“ Ausstellungsreihe. Bereits beim ersten Mal hat er uns begleitet und verlassene Orte gezeigt, die wir ohne ihn nicht entdeckt hätten. Im zweiten Jahr hat er erstmal mit ausgestellt. Da aber noch unter seinem „Sprayer-Namen“. Eigentlich war er nämlich als Graffiti Artist mit an Bord, aber schon damals zeichnete sich ab, dass er sich immer mehr dem Fotografieren zuwenden wird. Gerry ist meist mit Nils unterwegs und so lag es nahe ihn auch zu fragen. Mathias war mir wiederum durch seine Fotografien Plotbot KENs Arbeiten bekannt. Letztlich Dafne aus Belgien. Die Frau eines Freundes von mir, die sich auch dem Thema „Lost Places“ fotografisch angenommen hat.

Hast du selber auch fotografiert oder bist du diesmal ausschließlich Kurator?

Es wir das erste mal sein, dass es bei „…auszug“ keine Arbeiten von mir zu sehen gibt. Dieses hat sich so entwickelt. Während ich im ersten Jahr viel Fotografie ausgestellt habe, habe ich mich im zweiten Jahr mehr aufs Filmen konzentriert. Letztes Jahr habe ich dann mit meinem Fotos meine Reise dokumentiert und der Fokus lag eher auf den Arbeiten der anderen Künstler. Dieses Jahr trete ich nun bewusst in den Hintergrund, was aber auf keinen Fall bedeutet, dass ich im nächsten Jahr nicht wieder selbst Bilder an die Wand hängen werde.

Mathias Mahling – 2014 – „ Industrial Hot Seat“ – Deutschland
Mathias Mahling – 2014 – „ Industrial Hot Seat“ – Deutschland

Neben vier Fotografen sind die Arbeiten des Berliner Urban Art Künstlers Plotbot KEN in der Ausstellung zu sehen? Wie passt das zusammen?

Plotbot KEN hat ein unglaubliches Talent dafür seine filigranen Arbeiten in die Umgebung zu integrieren. So findet man in vielen verlassenen Orten Bilder von ihm an der Wand, auf Öltanks oder anderen Gegenständen. Im Gegensatz zu vielen selbstdarstellerischen Graffiti Malereien, die diese Orte für immer zerstören und ihnen den Charme nehmen, schafft er es den Orten noch mehr Reiz zu verleihen. Außerdem sind viele seiner Originale auf Fundstücken aus diesen Orten gemalt, wobei er auch hier seine Bilder mit der Materie gut in Einklang bringt.

Die xpon-art gallery, in der die Ausstellung stattfinden, war selber mal ein Ort mit einer ganz anderer Bestimmung. Was war früher in den Galerieräumen untergebracht?

Die Galerie befindet sich in der Münzburg, welche parallel mit dem Hamburger Rathaus erbaut wurde. Im Jahre 1886 wurde sie fertig gestellt und unter dem Dach befand sich damals die Bürgermeisterwohnung. In den Galerieräumen war eine Schlachterei untergebracht, von der heute noch die original Fliesen und einige andere Relikte vorhanden sind.

Was gibt es es nach „Auszug“? Geht die Ausstellungsserie nächstes Jahr in die nächste, mittlerweile fünfte Runde?

Auf jeden Fall. Ich habe schon die ersten Pläne im Kopf, doch kann ich dazu noch nicht viel sagen. Sicher aber, dass auch im Oktober 2016 die xpon-art gallery erneut etwas spannendes zu diesem Thema zeigen wird.

Vielen Dank für das Interview.

Plotbot KEN – 2014 – „Bhopal“ – unbekannt
Plotbot KEN – 2014 – „Bhopal“ – unbekannt

Ausstellungstext: „Durch einen Spalt in der Wand, eine unverschlossene Tür oder ein offenes Fenster finden sie Zugang. Zugang an Orte, die die Menschheit vergessen hat. Orte, an denen die Zeit stehen geblieben ist. Orte, an denen sich die Natur wieder breit gemacht hat. Orte, an denen ein auszug stattfand. Warum, wird man in den meisten Fällen nie erfahren.

auszu4 zeigt in diesem Jahr die Werke von vier Fotografen, die sich bestens in den verlassenen Gebäuden Europas auskennen. Vom belgischen Chateau bis hin zur Sperrzone Tschernobyl. Orte, die zum Teil aussehen, als seien ihre Besitzer nur kurz etwas einkaufen gegangen.

Die besondere Note bringen die filigranen Arbeiten von Plotbot KEN, der es immer wieder schafft, seine Bilder perfekt in die Umgebung einzubauen und so ihre Geschichte neu erzählt.“

Teilnehmende Künstler

Nils Grudzielski
Gerry Lange,
Mathias Mahling
Dafne Op’t Eijnde
Plotbot KEN

Eröffnung: 08.10.2015 20:00 Uhr
Ausstellung: 08. – 25.10.2015
Öffnungszeiten: Samstag – Dienstag 18:00 – 21:00 Uhr

In der xpon-art gallery
Repsoldstraße 45
20097 Hamburg

Titelbild: Mathias Mahling – 2015 – „ Forgotten Dream in Green“ – unbekannt

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